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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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oft bessere Jobs und machen sich nicht die Mühe zu kündigen.« Aber ich wusste, dass das hier nicht der Fall war, sie wäre nie von diesem Job weggeblieben, wenn ihr nicht etwas Schreckliches zugestoßen wäre. Und ich werde nie erfahren, was es war. Als ich an jenem Abend nach Hause ging, wurde mir bewusst, dass ich nicht mal ihren Namen kannte. Und das machte mich so traurig, dass ich mich in den Schlaf weinte.
    Oft tun mir auch Leute leid, denen ich noch nie begegnet bin.
    Zum Beispiel war da diese Frau, die hemmungslos zu weinen begann, als sie in Der Preis ist heiß nach vorn gerufen wurde. Das war offenbar das Aufregendste, was ihr je passiert war, und das Ganze wurde ihr von irgendeinem Arsch kaputt gemacht, der den Preis eines Rasenmähers um einen Dollar höher einschätzte als sie und daraufhin auf der Bühne würfeln durfte, während sie dastand und auf eine zweite Chance hoffte. Aber ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bald Zeit für das Glücksrad und die letzte Runde wurde und sie keine Chance mehr bekommen würde. Der hoffnungsvolle Ausdruck in ihrem Gesicht brachte mich zum Weinen. Diese arme Frau hatte ihr Leben lang darauf gewartet, nach vorn gerufen zu werden, und das war alles, was sie bekam.
    In derselben Episode gab es noch eine Frau, die mir leidtat. Sie schaffte es auf die Bühne und machte bei einem Spiel mit, wo sie am Ende ein Auto gewinnen konnte, wenn sie erriet, wie viel es kostete. Bei dem Auto handelte es sich um einen kleinen Mazda, mehr als zwei Leute und zwei Taschen mit Einkäufen hätten wohl nicht hineingepasst, aber die Frau schätzte den Preis auf achtundsiebzigtausend Dollar. Der Moderator war von dieser Schätzung so verblüfft, dass ich schon dachte, man müsse ihn von der Bühne tragen. Aber diese Frau, die Gute, war von ihrer Antwort wirklich überzeugt, und eine Minute lang glaubte sie ebenso felsenfest daran, dass sie einen funkelnagelneuen Wagen gewinnen würde. Natürlich war allen im Studio und draußen vor den Fernsehern klar, dass sie nicht die geringste Chance hatte; in den wenigen Augenblicken, in denen sie die Einzige auf der Welt war, die immer noch an sich glaubte, blutete mein Herz für sie.
    Diese Momente gibt es in meinem Leben praktisch jeden Tag. Und wenn man sie zu all den üblichen Momenten addiert, die Sie ebenfalls erleben, zum Beispiel wenn Sie die hungrigen Kinder mit den aufgeblähten Bäuchen sehen, dann ist es im Grunde ein Vollzeitjob. Ich glaube, die einzige Person, die mir in meinem Leben bisher noch nie leidgetan hat, war ich selbst.
    Warum auch? Seit meiner Geburt hatte ich jeden nur erdenklichen Vorteil. Mein Vater ist wohlhabend, ich bin gesund, ich konnte mir immer aussuchen, welchen Weg ich gehen wollte. Ja, mein Vater kann mürrisch und unsensibel sein, und er ist mit einer Frau zusammen, die nur vier Jahre älter ist als ich, aber das ist eigentlich nicht mein Problem. Mir tut meine Mutter leid, die so jung sterben musste, und mein kleiner Bruder, der unseren Vater immer idealisierte und sich von Dads Schwächen persönlich verraten und desillusioniert fühlte, aber nichts von alledem hat mich davon abgehalten, meinen Interessen nachzugehen oder mein Leben zu leben. Ich habe mir nie vorgestellt, dass irgendwer einmal Mitleid mit mir haben könnte, geschweige denn ich selbst, ehe ich am ersten Morgen unserer Hochzeitsreise »ScheißLarryBird« in den Laptop meines Mannes eingab und auf das Aktfoto einer Frau starrte, die ich im ersten Augenblick gar nicht erkannte.
    Die Frau war attraktiv, aber keineswegs makellos, nichts, was man je in einem Playboy oder auf den Websites zu sehen bekäme, auf denen sich Männer heutzutage Pornos ansehen. Sie war nicht mit Airbrush geschönt oder künstlich gebräunt, sie war nicht enthaart und auch nicht an allen wichtigen Stellen retouchiert, aber sie war hübsch und etwa zwanzig Jahre älter als ich. Eigentlich eher neunzehn, auf den Tag genau, wie mir gerade einfällt. Ich habe sie im Rahmen der Wahlkampagne kennengelernt, und ich erinnere mich noch, dass wir gelacht haben, als wir feststellten, dass wir am selben Tag Geburtstag haben. Ich weiß noch, wie sie sagte: »Witzig, ich hätte Ihr Babysitter sein können.« Schon damals fand ich das nicht sonderlich witzig, und noch unwitziger war die Botschaft, die sie dem Foto beigefügt hatte.
    Damit Du Dich an mich erinnerst, während Du mit Deiner Tochter auf Hawaii bist.
    Und so lief ich jetzt einfach, so stramm und schnell, wie ich konnte.

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