Was uns glücklich macht - Roman
ihn anrufen?«
»Oh nein«, meine ich, »davon würde ich dringend abraten.«
»Warum?«
»Dazu bist du viel zu hübsch. Soll er sich doch um dich bemühen.«
Samantha stellte ihr Glas ab und sah mich ernst an. »Du hast eine Menge Ansichten, die ich sehr ungewöhnlich finde«, sagte sie. »Auf mich wirken sie, als kämen sie von einer sehr viel älteren Frau.«
»Das stimmt auch«, sagte ich. »Von einer Großmutter und auch meiner Mutter. Beide haben mir immer gesagt, das Schönste am Frausein ist es, auch wirklich eine Frau zu sein . Meine Grammy hat immer gesagt: ›Diese Regeln haben tausende von Jahren bestens funktioniert.‹ Allerdings hielt sie auch nicht viel davon, dass Frauen Hosen tragen, daher habe ich das alles nicht so ernst genommen. Aber meist kam die Botschaft bei mir an, und ich schäme mich nicht dafür, so altmodisch das alles auch scheinen mag.«
Samantha hob das Glas an die Lippen und hielt es dort einfach fest. »Schon komisch«, sagte sie. »Wenn ich nichts über dich wüsste und dich einfach sehen würde, würde ich denken, du bist in meinem Alter. Wenn ich dich nie gesehen, sondern dich nur reden gehört hätte, hätte ich gedacht, du wärst so alt wie meine Mutter. Und die Wahrheit ist, du bist genau dazwischen.«
»Vierzig Jahre, und das ist mir kein bisschen peinlich.«
Samantha schien einen Augenblick nachzudenken. »Vierzig Jahre alt und in Greenwich aufgewachsen. Da könntest du eine Frau kennen, mit der ich erst kürzlich Bekanntschaft geschlossen habe. Sie heißt Katherine Emerson.«
»Aber ja«, sagte ich. Ich erinnerte mich an sie. »Sie war in der Schule ein Jahr über mir. In unserer Kindheit waren wir lose befreundet, aber als wir älter wurden, hat sie sich zurückgezogen.«
Samantha beugte sich vor, als hätte das, was ich gesagt habe, irgendetwas zum Klingen gebracht, an das sie sich zu erinnern versuchte. »Weißt du, manchmal spricht sie davon. Sie sagt, ihrem Vater wäre etwas Schlimmes zugestoßen, aber sie hat mir nicht erzählt, was es war.«
»Ich weiß es«, sagte ich. »Das weiß die ganze Stadt.«
Samantha starrte mich nur an. Ich wusste, dass ich es ihr erzählen würde, es gab keinen Grund, es nicht zu tun, aber ich wollte, dass sie mich darum bat. Ihr Blick verriet eindeutig, dass sie es unbedingt wissen wollte. Ich weiß nicht genau, warum sich dieser Lunch zu einem solchen Machtkampf entwickelt hat, aber das hat er.
»Wie gut kennst du sie denn?«, fragte ich.
»Ich kenne sie einerseits sehr gut und dann wieder überhaupt nicht«, sagte Samantha. »Ich habe sie auf demselben Weg kennengelernt wie dich.«
Ab dieser Bemerkung war die Sache kein Spaß mehr.
»Kommt sie wieder in Ordnung?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht«, sagte Samantha. »Und was ihren Vater angeht, so will ich nicht in ihre Privatsphäre eindringen, aber wenn es jeder weiß, könntest du es mir vielleicht ja erzählen.«
Ich sah keinen Grund, deswegen zu irgendwelchen Spielchen zu greifen. »Ihr Vater kam ins Gefängnis, als wir ungefähr zwölf waren. Ich glaube, es war irgendwas Wirtschaftliches, kein Mord oder so, Steuerhinterziehung oder so ähnlich. Aber er wanderte ins Gefängnis, und dann wurde er dort krank und kam nie wieder nach Hause. Danach war Katherine nicht mehr die Alte. Ich habe sie als wahnsinnig kluges Kind in Erinnerung, aber ich habe immer angenommen, dass sie sich von dem, was ihrer Familie zugestoßen ist, nie richtig erholt hat.«
»Das stimmt«, sagte Samantha.
»Dann hat sie es zu nicht allzu viel gebracht?«
Samantha machte eine kleine Pause. »Sie ist unglaublich erfolgreich, hat jede Menge Geld, führt ein sehr glamouröses Leben, aber sie hat es nicht weit gebracht, nicht auf dem Gebiet, wo es wirklich zählt.«
Samantha hob die Hand und rief den Kellner herbei. Sie bat ihn um Stift und Papier. Er brachte ihr das Gewünschte, und dann schrieb sie rasch etwas und gab mir das Papier.
»Danke für den Lunch«, sagte sie. »Das müssen wir bald mal wieder machen. Das ist meine Telefonnummer, sag Andrew, er soll mich anrufen.«
Und damit stand sie auf und verschwand, einfach so.
Katherine
Seit beinahe zwanzig Jahren hab ich ihn nicht mehr Phillip genannt.
Das war kein Zufall, und es war auch nicht so, als hätte er es nicht bemerkt. Als er mich damals eingestellt hat – er war Geschäftsführer, achtzehn Monate nach Abschluss der Harvard Business School –, hat er mir gesagt, dass ihn jetzt alle »Phil« nannten, ich ihn aber gern noch mit
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