Was uns glücklich macht - Roman
einfach nicht damit gerechnet.«
Er begann aufzustehen, doch ich nahm ihn bei der Hand.
»Nicht«, sagte ich. »Geh nicht. Bleib einfach noch ein bisschen bei mir sitzen. Ohne mich zu küssen oder so. Bleib einfach ein Weilchen bei mir sitzen.«
Er atmete tief durch und setzte sich wieder, schlug abwehrend die Beine übereinander. Was für ein Kind er doch war. Ein zorniger kleiner Junge, der nicht bekommt, was er will.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte ich, und er wurde ein bisschen munter und sah mich an. »Du denkst: Wenn ich einem Mädchen fünfzig Millionen Dollar gebe, sollte ich ihr wenigstens an die Wäsche gehen dürfen.«
Das warf ihn um.
Plötzlich lachte er lauter als ich, keuchte sein Raucherkeuchen und wurde ein bisschen rot, aber es war komisch, und es war echt, und wir fühlten uns sehr wohl nebeneinander auf dem Sofa. Wir lachten eine Weile, dann nahm ich seine Hand und legte sie in meinen Schoß und hielt sie mit beiden Händen. So saßen wir ganz still, bis er das Schweigen brach und mir die zweite Sache erzählte, deretwegen er gekommen war.
Und damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Brooke
Ich wünschte, ich würde zu den Leuten gehören, die in Büchern Dinge unterstreichen. Sie wissen schon, wie manche Leute das machen? Sie unterstreichen Zeilen, kneifen Eselsohren in die Seiten, und die wirklich durchorganisierten Leute haben Computerdateien voller Zitate und Paragraphen, die sie berührt und bewegt haben. Ich bin schon über viele solche Passagen gestolpert, habe sie aber nie aufgeschrieben. Was für ein Fehler das doch ist. Ich beneide die Leute, die einfach so Zitate von großen Staatsmännern und Dichtern aus dem Ärmel schütteln können. So etwas kommt dauernd vor, auf einer Dinnerparty sagt zum Beispiel jemand: »Sie wissen schon, General Patton hat einmal gesagt, bla, bla, bla …« Ich wollte, ich könnte General Patton zitieren, das wäre so großartig. Stattdessen bin immer ich diejenige, die sagt: »Ich kann mich nicht erinnern, wo ich das gelesen habe, aber bla, bla, bla …« Ich muss sagen, das ganze bla, bla, bla ist immer viel interessanter, wenn man ein Namensschildchen daran befestigen kann.
Wie zum Beispiel jetzt. Ich denke gerade, dass keine Schneeflocke der anderen gleicht. Steht das nicht irgendwo in einem Gedicht? Hat nicht irgendwer darin eine tiefere Bedeutung gesehen? Wenn nicht, dann sollte man, denn es ist die vielsagendste und wichtigste kleine Tatsache aus der Welt der Wissenschaft, die ich je gehört habe.
Zwei Dinge können nie genau identisch sein. Auch nicht zwei Menschen. Meine Zwillinge sind da das perfekte Beispiel. Sie sind zweieiig, nicht eineiig, aber wenn sie eineiig wären, hätten sie dasselbe Blut, dieselbe DNA , dieselben Fingerabdrücke, und doch wären sie nicht identisch. Meine Kinder unterscheiden sich voneinander auf eine Art und Weise, die über das bloße genetische Material weit hinausgeht, denn zwei Leute, selbst eineiige Zwillinge, können niemals gleich sein, wie die Schneeflocken.
Das ist etwas, was Samantha wohl noch nicht versteht.
Sie betrachtet ihr Leben auf eine Art, ich das meine auf eine andere Art. Sie hat ihre Werte, ihre Sorgen, ihren Glauben, was ich alles respektiere. Aus irgendeinem Grund scheint sie nicht in der Lage, für mich dasselbe zu tun. Sie benimmt sich, als wäre ich dabei, Selbstmord zu begehen, während ich doch nichts dergleichen tue. Ab diesem Augenblick habe ich keinen Krebs mehr. Und ich bin kein Dummkopf, ich bin der Realität weitaus nicht so entrückt, wie sie glaubt. Ich habe ausführlich, sehr ausführlich mit meinem Arzt über meine Entscheidung gesprochen und bin zu einer Entscheidung gelangt, mit der ich mich wohlfühle. Und, nicht dass es eine Rolle spielte, aber er sagt mir, dass ich keineswegs die einzige Patientin bin, die so reagiert. Ich könnte all die Behandlungsoptionen wahrnehmen, die mir offenstehen, könnte alles, was ich liebe, auf Warteschleife stellen, und wozu das Ganze? Bestenfalls würde es die Gefahr eines Rezidivs um zehn Prozent senken. Die Gefahr eines Rezidivs ist für mich, was sie ist. Meine Chancen, dass der Krebs wegbleibt, sind, wie sie eben sind. Wenn ich meinen ganzen Lebensstil aufgeben würde, den meines Ehemanns und meiner Kinder, würden diese Chancen um zehn Prozent erhöht. Manche Leute würden alles tun für diese zehn Prozent. Ich nicht.
Als Mädchen hatte ich eine Freundin namens Amanda. Als wir älter wurden, ließ sie sich mit den falschen
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