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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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das
Kopfsteinpflaster holpere, fängt mein CD -Player an
zu springen, und ich schalte um auf Radio. »Demo« von Herbert Grönemeyer
erklingt. Grönemeyer!
    Du bist eine gute Prognose
    Das Prinzip Hoffnung
    Ein Leuchtstreifen aus der Nacht
    Ich find dich und lieb dich mehr als mich
    Ich halte an, steige ab und schließe mein Rad an einem
Laternenpfahl an. Dann drehe ich den Volume-Regler bis zum Anschlag auf und
spaziere im Takt durch die Schanze, bin in meinem eigenen Musikclip. Ein paar
Leute, an denen ich vorbeitänzele, gucken irritiert. Ist mir egal. Im
Schulterblatt laufen so viele Verrückte rum, da kann ich ruhig mal zu
Grönemeyer über die Straße hüpfen. Nur schade, daß nicht jeder hier meine Musik
hören kann. Denn dann würde jeder fühlen, was ich gerade fühle, dann wären wir
alle für einen Moment in der gleichen Welt.
    Ich bin dein siebter Sinn
    Dein doppelter Boden
    Dein zweites Gesicht
    »Hey, Charly!« Irgendein Depp reißt mir den Kopfhörer runter.
Ende der Vorstellung.
    »Bist du noch ganz dicht?« fahre ich den Typen an, der mein Headset
am Wickel hat und mich doof anlacht.
    »Sorry, sorry«, sagt er und gibt mir mit einer beschwichtigenden
Geste die Kopfhörer zurück. »Ich wollte nur hallo sagen, und du hast ja nix
mitgekriegt, als ich dich gerufen habe.« Keine Wunder bei hundertzwanzig
Dezibel auf jedem Ohr. Erst jetzt gucke ich mir den Kerl genauer an.
Mittelgroß, mittelblond, mittelhübsch. Kenne ich den? Irgendwo im Hinterkopf
dämmert es, ich fürchte, ich habe ihn mal abgeschleppt. Bilder eines
verwahrlosten WG -Zimmers tauchen vor mir auf, ist
aber sicher schon drei oder vier Jahre her.
    »Na dann, hallo«, sage ich und mache mich daran, die Kopfhörer
wieder aufzusetzen.
    »Willst du mal?« fragt mein Gegenüber und hält mir sein halb
ausgetrunkenes Bier hin. Nee, danke. Schlimm genug, daß ich mit dem mal Sex
hatte, an seiner Flasche will ich wirklich nicht nuckeln.
    »Danke«, lehne ich deshalb freundlich, aber bestimmt ab.
    »Ich hab gehofft, daß wir uns irgendwann noch mal treffen.« Der ist
echt hartnäckig. »Die Telefonnummer, die du mir damals gegeben hast, war leider
falsch.« Und du darfst dreimal raten, warum!
    »Ich muß nach Hause, war ein anstrengender Tag.« Habe keine Lust auf
diplomatische Höflichkeitsfloskeln. Ich will mit mir und meinen Gedanken allein
sein.
    »Schade.« Wie auch immer er heißt – traurig gucken kann er.
    »Also, bis denn«, verabschiede ich mich und gehe eilig zu meinem
Fahrrad zurück.
    »Wäre schön, wenn wir uns noch mal sehen«, höre ich ihn noch hinter
mir herrufen. Diese Stadt wird zu klein für mich! Ich schließe mein Rad wieder
auf und strampele mit voller Kraft voraus, weil ich einen kurzen Augenblick
lang fast befürchte, er könnte mir hinterhergelaufen kommen.
    Am Morgen des 7.   Mai stehe ich ratlos vor meinem Kleiderschrank.
Noch achteinhalb Stunden bis zum Klassentreffen. Ich habe mir extra den ganzen
Tag freigenommen, um mich darauf vorzubereiten. Aber ich habe nichts, wirklich nichts , was ich anziehen könnte. Das Chlamydien-Shirt habe
ich gestern vom Copy-Shop abgeholt, aber das scheint mir für den heutigen Abend
nicht ganz das Richtige. Überhaupt dürfte es für den Anlaß sowieso etwas
Aufregenderes als Jeans und T-Shirt sein. Vielleicht sollte ich bei Julie
klingeln und sie fragen, ob sie mir was leiht … Ich verwerfe den Gedanken, ich
habe mir von meiner Nachbarin schon mehr als genug geborgt.
    Dann muß ich mir eben was Neues kaufen. Wird allerdings mit den acht
Euro, die ich noch in meinem Portemonnaie finde, schwierig. Mein Konto ist
trotz des großzügigen Vorschusses von Tim im Minus (dabei haben wir heute erst
den 7.), und das letzte Mal, als ich meine Kreditkarte sah, wurde sie in einem
Plattenladen in zwei Stücke geschnitten. Also ehrlich: Ich bin fast dreißig und
habe noch nicht einmal Rücklagen. So was wie einen Bausparvertrag, Fonds,
Schatzbriefe, halt irgend etwas, woran man merkt, daß man erwachsen ist!
    Ich gehe trotzdem los. Dann zahle ich eben mit meinem letzten
Verrechnungsscheck für besondere Anlässe und richte mich seelisch auf den
nächsten Anruf meines Bankberaters ein. Was wollen sie schon machen, wenn ich
meinen Dispo noch mehr überziehe? Mich in den Knast stecken?
    Gut, vielleicht komme ich doch in den Knast. Drei Stunden später
trage ich in einer dieser edlen Lacktüten, wie man sie nur in kleinen,
exklusiven Designerboutiquen bekommt, einen Hosenanzug nach Hause, dessen

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