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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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ich und setze mich
in meinen Korbsessel.
    »Ach, nein?«
    »Nein. Ich mache das nur für mich.«
    »Sicher.«
    »Moritz ist eine ur-ur-uralte Jungendliebe, die schon ewig lange
vorbei ist.«
    »Sicher.«
    »Außerdem stehen Männer wie Moritz nicht auf Frauen wie mich«, füge
ich noch hinzu.
    »Sicher.« Wir schweigen beide einen Moment, und ich denke darüber
nach, warum ich das jetzt eben gesagt habe. Wahrscheinlich, weil es wahr ist.
Vielleicht aber auch nicht.
    »Nervös?« will Tim wissen. Ich nicke.
    »Ein bißchen«, gebe ich zu.
    »Und warum?«
    »Weiß ich gar nicht so genau«, antworte ich. »Eigentlich sind mir
die Idioten aus meinem Jahrgang wirklich egal. Keiner von denen spielt in
meinem jetzigen Leben auch nur die geringste Rolle.« Ich nehme einen tiefen Zug
von meiner Kippe und blicke dem Rauch hinterher. »Aber trotzdem habe ich Angst,
daß mich alle angucken werden, als sei ich ein Alien.« Mißgeburt ist das Wort,
das mir in diesem Moment eigentlich durch den Kopf schießt.
    »Natürlich bist du ein Alien!« Tim sagt das, als wäre es eine
Auszeichnung. Er versteht mich nicht.
    »Kennst du denn nicht das Gefühl«, frage ich ihn, »daß man es
irgendwann allen so richtig zeigen will?«
    »Klar kenne ich das.«
    »Verstehst du: Jetzt ist es so weit – und ich habe rein gar nichts
zu zeigen.«
    »Das ist nicht wahr. Du siehst es nur nicht.«
    »Was ich sehe, ist mein planloses Leben.«
    »Ein gutes Leben ist die beste Rache«, stellt Tim fest.
    »Du findest mein Leben gut?«
    »Ich würde an deiner Stelle mit niemandem tauschen wollen«, meint
er. »Du bist frei, zu tun und zu lassen, was du willst. Keiner zwingt dich zu
etwas, du kannst einfach nur du selbst sein. Das ist doch toll!«
    »Aber bei mir ist alles Chaos«, widerspreche ich ihm. »Ich bringe
nichts zu Ende, kriege keine geregelte Beziehung hin und habe noch nicht einmal
den Mumm, meinen Eltern endlich zu sagen, daß ich die Uni schon seit Jahren
nicht mehr von innen gesehen habe. Ich trinke und rauche viel zuviel. Von
meinem Männerverschleiß mal ganz zu schweigen.« Ich merke, wie ich mich in Rage
rede. Aber das tut erstaunlich gut. »Die Haut an meinen Oberschenkeln und Armen
wird langsam schlaff«, setze ich meine Mängelliste fort, »aber für Sport bin
ich zu faul. Mein erster und einziger Jogging-Versuch endete nach knapp zwei
Minuten, als ich von einer Oma mit ihrem Hackenporsche überholt wurde. Gesunde
Ernährung ist ein absolutes Fremdwort für mich, ich bestehe hauptsächlich aus
Junkfood und Bier.« Erschütternd, aber wahr.
    »Nur Nullen haben keine Ecken und Kanten«, stellt Tim fest, nachdem
ich mit meiner Aufzählung fertig bin.
    »Tolle Weisheit.«
    »Ist nicht von mir, ist geklaut.« Er grinst.
    Auch ich muß grinsen. Wenn ich ehrlich bin, gefällt mir der Spruch.
Ist ein netter Wind-aus-den-Segeln-Nehmer, klingt fast nach Oscar Wilde. Von
der Sache her, meine ich. Ich beschließe, ihn mir zu merken, für den Fall, daß
mir irgendwann mal einer blöde kommt. Dann überkommt mich plötzlich ein Anfall
von Vertrauensseligkeit. »Weißt du«, fange ich an, »so ein kleines bißchen ist
es vielleicht doch wegen Moritz.«
    »Da wäre ich nicht drauf gekommen.« Ich ignoriere seinen ironischen
Einwurf.
    »Mit sechzehn ist mir da eine blöde Sache passiert«, fahre ich fort
und erzähle Tim die Garagengeschichte und wie schlecht ich mich gefühlt habe.
    »Spätestens, wenn Moritz dich heute abend sieht«, meint Tim, »wird
ihm klar werden, was für ein riesiger Idiot er damals war.«
    »Meinst du?«
    »Logo, wenn … wenn du mich fragst …« Er hört mitten im Satz auf zu
sprechen und lauscht angestrengt auf die Musik, die gerade im Radio läuft. Ein
Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.
    »Das gibt’s ja nicht!« Er steht auf, geht zu meiner Anlage und dreht
die Lautstärke auf. »How can we hang on to a dream« von Tim Hardin. »Das hab
ich schon ewig nicht mehr gehört!« Er kommt auf mich zu, hält mir seine Hand
hin und fragt: »Darf ich bitten?«
    Vollkommen perplex lasse ich mich von Tim aus meinem Korbsessel
ziehen, und im nächsten Augenblick schwingt er mich in einem schnellen Walzer
durchs Zimmer.
    »Weißt du«, fängt er an, während er mich hin und her wiegt, »dieser
Song ist etwas ganz Besonderes für mich.«
    »Nämlich?«
    »Als ich vor acht Jahren in meinem fetten Dienstwagen über die
Autobahn bretterte, um von einem Termin zum nächsten zu jagen, kam auf einmal
dieses Lied im Radio. Das hab

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