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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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Aber ich bin
schneller, ziehe sie zurück und stecke sie in meine Hosentasche. »Gib sie mir«,
sagt er noch einmal, »das geht dich nichts an.«
    »Ach? Das geht mich nichts an?« Fast muß ich lachen, so absurd kommt
mir das gerade vor. »Wann hättest du mir denn gesagt, daß du den Laden sausen
läßt? Einen Tag vorher oder was? Und mir dann so einen Schwachsinn erzählen
wie: Heute ist das, worauf es ankommt …«
    »Du vertust dich da, Charly. Du kriegst gerade alles in den falschen
Hals.« Aha, jetzt kommen also die lahmen Ausreden.
    »Also gut.« Auf einmal werde ich ganz ruhig. »Dann erklär mir, was
du da gemacht hast!« Tim sagt nichts, guckt mich nur wortlos an.
    »Charly …«, schaltet sich jetzt Georg ein.
    »Bitte halt dich da raus«, sage ich freundlich, aber bestimmt. Dann
wende ich mich wieder an Tim, der noch immer keinen Mucks von sich gibt. »Sag
mir, was du bei einer Personalberatung wolltest«, fordere ich ihn wieder auf.
Tim kaut nervös auf seiner Unterlippe herum, ein untrügliches Zeichen dafür,
daß ich genau ins Schwarze getroffen habe. Schließlich guckt er runter auf
seine Füße und murmelt: »Wie soll ich dir das nur erklären.«
    »Wo ist das Problem? Kannst du nicht oder willst du nicht?« Tim schweigt beharrlich. Er hat nicht mal
den Mumm, mir jetzt die Wahrheit zu sagen. »Hier!« Ich ziehe den dicken Mantel
aus und knalle ihn Tim vor die Füße. »St.   Pauli predigen und heimlich für den HSV kicken – das kannst du mit wem anders machen!« Abgang
Charly Maybach. Türenknallend verlasse ich das Drinks & More und bin
kurzzeitig ganz beeindruckt über die schöne Metapher, die mir da so leicht über
die Lippen gegangen ist. Aber leider hält der Triumph nur circa fünf Sekunden
an. Schon, als ich mein Fahrrad aufschließe, fühle ich mich schlecht und merke,
daß ich gleich wieder heulen muß. Was für ein gräßlicher Tag!
    Als ich zwanzig Minuten später zu Hause ankomme, bin ich nur
noch ein kleines Häufchen Elend. Unglaublich, wie sich in den letzten
vierundzwanzig Stunden meine Welt völlig auf den Kopf gestellt hat. Gestern
morgen war alles – oder immerhin noch fast alles – in Ordnung, und auf einmal
kommt es mir vor, als würde um mich herum alles zusammenbrechen. Dabei weiß ich
gar nicht, was mich mehr mitnimmt: dieses grauenhafte Klassentreffen oder die
Tatsache, daß Tim hinter meinem Rücken wieder seine Karriere anschiebt.
    Eins steht jedenfalls fest: Am Ende ist Tim auch nicht besser als
die Moritze, Dirks, Heikes und Isabells dieser Welt. Nein, genaugenommen ist er
sogar noch schlimmer. Die anderen tragen wenigstens öffentlich zur Schau, was
für Idioten sie sind.
    Oder bin ich vielleicht der Idiot? Was stimmt denn mit mir nicht?
Warum muß mein Leben so schieflaufen? Ich bin unzulänglich und peinlich. Und
sogar meinem besten Freund bin ich nicht wichtig genug, um in seine Pläne
miteinbezogen zu werden.
    Im Flur kommt Julie mir entgegen und guckt, sobald sie mich bemerkt
hat, auf den Boden. Aber jetzt suche ich die Konfrontation. Heute war sowieso
schon alles Desaster, da kommt es jetzt auch nicht mehr drauf an.
    »Hi, Julie«, sage ich und stelle mich ihr so in den Weg, daß sie
nicht an mir vorbeikommt. Tatsächlich hebt sie den Kopf und sieht mir direkt in
die Augen. Ein Blick, der meinen Puls sofort zum Rasen bringt.
    »Charly«, sagt sie und klingt dabei fast freundlich. Allerdings sind
die Worte, die dieser Begrüßung folgen, alles andere als herzerwärmend. »Falls
du es noch nicht bemerkt hast: Ich will nicht mit dir reden. Ich will auch
nicht, daß du mir immer, wenn wir uns begegnen, hallo sagst. Genaugenommen will
ich am liebsten, daß du dich in Luft auflöst. Aber da das leider nicht geht und
ich auch nicht annehme, daß du hier in nächster Zeit ausziehen wirst, möchte
ich dich um eins bitten: Sprich mich nicht mehr an! Tu einfach so, als würdest
du mich nicht sehen, ich gebe mir Mühe, es ebenso zu machen.« Mit diesen Worten
schiebt sie mich beiseite und geht dann langsam die Stufen zum Ausgang
hinunter. Dabei hätte ich ihr gern noch einiges gesagt, aber nach ihrem Vortrag
stehe ich einfach nur da und sehe ihr nach. Sie haßt mich. Zu Recht.
    Ich schließe die Wohnungstür auf, feuere Schuhe und Tasche in eine
Ecke und drücke auf den Anrufbeantworter, der mir zwei Nachrichten anzeigt.
Tim?
    »Hallo, Schatz, ich bin’s, Mami. Wollte nur mal hören, wir es dir so
geht.« Bestens, einfach bestens. Du wärst begeistert, wenn du

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