Was - Waere - Wenn
wüßtest, wie es
mir geht! Das verpfuschte Leben deiner Tochter würde dir wahrlich das Herz
erwärmen. Nachricht zwei: »Äh, ja, hi, hier ist Ralph. Ruf mich an, wenn du
magst.« Wer zum Geier ist Ralph? Ich sortiere meinen Kopf, habe ein
schemenhaftes Bild vor Augen. Trug schwarze Calvin-Klein-Unterwäsche. Glaube
ich. Oder war das Henning? Und woher hat der meine Nummer? Hab ich im Rausch
mal wieder vergessen, den Zahlendreher einzubauen? Oh Mann, vergeßt »The
Osbornes«, mein Leben ist die echte Soap! Allerdings
erst sendefähig nach zweiundzwanzig Uhr. Mal ehrlich, wenn ich nicht zufälligerweise
ich selbst wäre, würde ich mir über mich auch das Maul zerreißen. So wie
gestern alle. Energisch drücke ich die Löschtaste des AB s.
Weg ist der Kerl. Schade, daß es im Leben nicht auch so einfach geht.
Ich gehe rüber ins Schlafzimmer und werfe mich aufs Bett. Am
liebsten würde ich mir die Decke über den Kopf ziehen und ein, zwei Jahre
warten, bis ich wieder hervorkrieche. Vielleicht sähe dann alles schon wieder
ganz anders aus. Wenn das meine Mutter wüßte. Aber die kann mir im Moment auch
nicht helfen, mit einem Fall wie meinem wäre wohl jeder überfordert.
Ich rappele mich wieder hoch, bin leider viel zu wach zum Schlafen.
Also Musik. Musik hilft immer. Unschlüssig stehe ich vor meinem CD -Regal und sehe meine Sammlung durch. Aber ich finde
nichts, was ich hören will. Was Schnelles, Fröhliches würde mir auf die Nerven
gehen, und wenn ich was Trauriges einlege, habe ich gute Chancen, heute doch
noch aus dem Fenster zu springen. Ja, ich weiß, wie polemisch das jetzt klingt,
aber ich glaube, es würde keinem besonders leid tun. Weil ich für niemanden
etwas Besonderes bin. Selbst die langweilige, blöde Heike hat jemanden, der sie
liebt, darüber kann ich mich noch so sehr lustig machen. Tatsache ist, daß ich
immer noch allein durchs Leben laufe, von meinen gelegentlichen Affären mal
abgesehen.
Ob der Fernseher mich ablenkt? Tut er nicht. Statt einer
aufmunternden Folge von »Sex and the City« oder wenigstens einem harmlosen
Schocker wie »Autopsie« (ist wenigstens nicht ohne einen gewissen Humor)
scheint heute senderübergreifende Gefühlsduselei angesagt zu sein. »Ghost – Nachricht von Sam«, »Die Brücken am Fluß« und »Pretty Woman« – wer soll das
bitteschön aushalten? Kann nicht wenigstens auf einem Programm eine schöne
Ballerei laufen? Oder ein anständiges Kettensägenmassaker? Von mir aus die
Volkstümliche Hitparade, ist immerhin schön gruselig. Ich greife nach der
Fernbedienung und zappe mich von Werbebreak zu Werbebreak.
Es wird nicht besser, es wird immer schlimmer. Meine Seele ist so
aufgerieben und wund, daß ich schon heule, wenn im Scheiß-Fernsehen die
Scheiß-Musik aus der Scheiß-Mirakoli-Werbung kommt. So ein Elend. Ich schalte
weiter. »Du bist in meinem Lieblingslied die Melodieee – merci, daß es diich
giibt!« Will mich hier irgendeiner fertigmachen? Danke, reicht schon!
Gegen zwei Uhr nachts gebe ich schließlich auf und beschließe, ins
Bett zu gehen. Als ich mir im Bad die Zähne putzen will, blickt mir aus dem
Spiegel eine zerstörte Gestalt entgegen. Meine Augen sind rot, geschwollen und
verheult. Ich stelle die Zahnbürste zurück in den Becher. Das lohnt nicht.
Statt dessen gehe ich so ins Bett und weine weiter vor mich hin. Scheiße,
scheiße, scheiße! Ich bin allein und unmöglich, und ich hasse mich. Und wenn
ich heute nacht krepiere, interessiert es keine Sau! »Jemand wartet schon auf
dich«, Bernard und Bianca, die Mäusepolizei. Wer’s glaubt.
Als ich am nächsten Morgen nach einer wild durchträumten Nacht
aufwache – Moritz und Tim trugen beide schicke Anzüge und jagten mich durch die
Mood Lounge –, weiß ich auf einmal, was ich tun muß. Voller Tatendrang springe
ich aus dem Bett, reiße meine Jeans vom Korbsessel und durchsuche die
Hosentaschen. Zufrieden lächelnd halte ich die Visitenkarte von New Life
Personal Management in meinen Händen. Also gut. Warum soll ich nicht auch mal
durchstarten? Ich bin doch nicht dümmer als alle anderen. Und wenn Tim vorhat,
sich wieder auf die Überholspur zu begeben – kann ich das schon lange! Auf
einmal bin ich ganz zuversichtlich, daß alles gut wird. Charly Maybach wird Karriere
machen, Schluß mit dem Rumgedümpel!
Eine halbe Stunde später sehe ich einigermaßen repräsentativ aus
(hab in meinem Kleiderschrank sogar noch einen langen, schmalen Rock gefunden)
und düse Richtung
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