Was - Waere - Wenn
Neues Leben. Mit dem Taxi. Die neue Charly fährt kein
Mountainbike. Mal ganz davon abgesehen, daß das mit Rock und hohen Schuhen auch
ganz schön schwierig wäre. Während ich auf dem Rücksitz ungeduldig darauf
warte, daß wir endlich ankommen, bin ich mit mir selbst ganz zufrieden. Ab
sofort wird alles, alles ganz anders werden!
»Verstehen Sie mich nicht falsch …« Die Frau mittleren Alters,
der ich bei New Life Personal Management gegenübersitze, zupft sich irritiert
eine Fluse vom Kragen ihres grauen Windsor-Kostüms. Sie guckt mich irgendwie
komisch an. So, als wäre ich etwas, das die Katze von draußen mit
hereingebracht hat. »Aber ich weiß nicht so recht, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Hier steht doch«, sage ich und schiebe ihr die zerknitterte
Visitenkarte aus Tims Mantel rüber, »daß Sie mein Leben verändern können. Und
genau das will ich. Mein Leben verändern.« Ich klinge sicher wie ein trotziges
Kind, aber das ist mir jetzt egal. Hier gehe ich nicht weg, bevor man mir
geholfen hat!
»Das haben Sie vielleicht etwas zu wörtlich genommen«, stellt die
Frau ziemlich gönnerhaft fest und rückt ihre Brille zurecht. »Wir können auch
nur tun, was im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt.«
»Und was liegt im Rahmen Ihrer Möglichkeiten?«
»Schauen Sie«, erklärt sie und schiebt leicht angewidert die
Visitenkarte von sich. Hat wohl Angst, es könnte was auf sie überspringen. »Wir
sind eine Personalberatung. Das heißt, wir vermitteln hochqualifizierte Leute
in Spitzenpositionen.«
»In Ordnung«, sage ich, »vermitteln Sie mich.« Die Frau hüstelt
nervös und nimmt einen Schluck aus ihrem Wasserglas.
»Ich sagte ›hochqualifiziert‹.«
»Oh, das bin ich!« Jetzt bloß nicht klein beigeben, Charly! Du
schaffst das, sie muß dir einfach helfen.
»So?« Ein fragender Blick über den Brillenrand. »Abitur mit 3,8, ein
abgebrochenes BWL -Studium und Erfahrungen als
Aushilfskellnerin – das nennen Sie hochqualifiziert?« Ihre Lippen kräuseln sich
zu einem spöttischen Lächeln.
»Es geht doch im Leben um mehr als um irgendwelche Abschlüsse und
Zeugnisse«, stelle ich selbstbewußt fest.
»Nun, im Leben schon«, gibt die Frau mir recht. »In der Berufswelt
leider nicht.«
»Bitte!« Ich beschließe, mich nun doch zu erniedrigen und es mit
Betteln zu versuchen. Was habe ich schon zu verlieren? Kann ja nicht schlimmer
werden. »Bitte helfen Sie mir. Ich werde alles tun, wenn Sie mir nur eine
Chance geben.«
»Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen.« Wo andere Leute
ein Herz haben, sitzt bei ihr ein Rechenschieber.
»Aber es muß doch irgend etwas für mich
geben! Ich fange auch ganz unten an, es kann doch noch nicht zu spät für alles
sein.«
»Ich gebe Ihnen jetzt mal einen Tip.« Die Personalberaterin beugt
sich vertraulich vor und senkt ihre Stimme. »Sie sehen doch ganz passabel aus.
Suchen Sie sich einen gutverdienenden Mann, heiraten Sie ihn und setzen Sie
entzückende Kinder in die Welt. Noch sind Sie ja nicht zu alt dazu.« Hab ich
was am Ohr, oder hat sie das eben wirklich gesagt? Bisher habe ich ja immer
Verona Feldbusch für den größten Rückschlag in der Geschichte der Emanzipation
gehalten, aber gegen die hier ist deren Weibchen-Getue nahezu progressiv!
Bestimmt steht mir gerade der Mund weit offen, und ich sehe mich leider auch
außerstande, ihn wieder zu schließen. Frau Personalverkupplerin sieht mich
abwartend an. »Und jetzt möchte ich Sie bitten«, sagt sie, als ich mich nach
gefühlten zwei Stunden noch immer nicht bewegt habe, »meine Zeit nicht länger
zu verschwenden.«
»Keine Sorge«, erwidere ich bissig, »bin schon weg.« Mit diesen
Worten zerfetze ich die Visitenkarte von New Life in viele kleine Stückchen,
die ich auf ihren Schreibtisch rieseln lasse. Dann gehe ich wortlos aus ihrem
Büro. Noch etwas fassungslos stehe ich im Flur von New Life Personal Management
und frage mich, ob ich das nur geträumt habe. Oder habe ich ganz einfach die
falsche Tür erwischt? Dann werde ich richtig wütend: Was heißt hier überhaupt
»ganz passabel«? Schon habe ich meine Hand wieder auf der Klinke ihrer Bürotür
und den festen Vorsatz, der blöden Kuh zum Abschied noch ein paar wohlklingende
Worte um die Ohren zu hauen, als wie aus dem Nichts eine kleine, ältere Dame
neben mir steht und mich zurückhält.
»Entschuldigen Sie«, sagt sie und zupft mich am Ärmel. Sie ist
wirklich klein, vielleicht gerade mal ein Meter fünfzig, und das, obwohl
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