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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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Moritz
sichtlich peinlich. So etwas kommt in der Business-Class sicher nicht so oft
vor, alle drehen sich nach mir um.
    »Nein, nein, meine Frau ist nur … wir sind frisch verheiratet, das
sind nur die Nerven.«
    »Frisch verheiratet?« Die Stewardeß strahlt. »Wie schön! Dann bringe
ich ihnen doch gleich mal zwei Gläser Champagner!«
    »Nein, danke, wir …«
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen«, unterbreche ich Moritz,
nachdem ich mich blitzartig von meinem Weinkrampf erholt habe. Drei Tage! Dann
will ich wenigstens jetzt einen Schampus haben!
    Der Champagner kommt, ich bin mit mir und der Welt wieder
einigermaßen im reinen. Einigermaßen.
    »Drei Tage, das reicht ja gerade mal, um eine Pizza zu essen und
wieder abzufliegen«, stelle ich fest und schlürfe an meinem Glas.
    »Gar nicht wahr«, erwidert Moritz, hangelt sich den Reiseführer, der
in der Tasche seines Vordersitzes steckt, und schlägt ihn auf. »Siehst du«,
sagt er und zeigt auf die aufgeschlagene Seite, »Florenz in drei Tagen, da
steht’s doch.« Super, wir werden mit einem Sightseeing-Bus herumgondeln und mit
Glück noch irgendwo eine Heizdecke aufgabeln. Oder ein Kochset.
    »Können wir denn nicht noch ein paar Tage verlängern?« versuche ich
es auf meine charmanteste Art und Weise. Ist richtig ungewohnt, bin so selten
zielgerichtet charmant. »Du kennst doch den Hotelmanager …« Aber Moritz, der
Kaltherzige, schüttelt den Kopf.
    »Wir haben das doch vorher schon x-mal besprochen, daß wir nur ein
verlängertes Wochenende fahren«, erwidert er genervt. Aha, wieder eine Info,
die mir fehlt. »Du weißt doch, daß ich dieses wichtige Projekt habe, und da …«
Während Moritz mir wortreich die Gründe für unsere Kurz-Flitterwochen
erläutert, wird meine Aufmerksamkeit bereits von etwas anderem gefangen
genommen: ein früherer One-Night-Stand. Zwei Reihen links vor uns. Ich bin mir
ganz sicher, den hätte ich nicht vergessen! Schon will ich mich ducken, weil
ich nicht ausgerechnet auf meiner Hochzeitsreise von einem amourösen Abenteuer
entdeckt werden will, als mir wieder einfällt: Ist ja gar nicht passiert. Hab
ich doch alles löschen lassen. Also kann ich mich ruhigen Gewissens aufrecht
und für jeden gut sichtbar hinsetzen. Der Typ hat keinen blassen Schimmer, wer
ich bin. Ich kichere vor mich hin.
    »Was lachst du denn jetzt so blöd?« Moritz sieht aus, als begreife
er die Welt nicht mehr. Oder zumindest seine Frau.
    »Ist schon gut«, beruhige ich ihn, »mach dir keine weiteren
Gedanken.« Ein stummes »Weiber!« ausstoßend greift er nun wieder zu seiner
Zeitung und beginnt zu lesen.
    »Äh, läßt du mich bitte raus? Ich muß mal.« Es geht nicht anders,
ich muß das jetzt einfach ausprobieren. Moritz schnallt sich ab und steht auf,
so daß ich mich vor ihm durchquetschen kann. Hocherhobenen Hauptes stolziere
ich an den Sitzreihen vorbei und bleibe auf Höhe meines One-Night-Stands
stehen, um mir einen Schnürsenkel zuzubinden. Leider habe ich gar keine
Schnürsenkel, also tue ich im letzten Moment so, als wäre mir was
hinuntergefallen. Beim Herabbeugen nehme ich den Kerl ganz genau ins Visier.
    Er ist es, gar kein Zweifel! Friedrich heißt er. Hab ich vor gut
einem Jahr auf dem Kiez aufgetan. Er war in einem Laden mit Tischtelefonen, wo
ich nur gelandet war, weil ich meine Tasche samt Handy verloren und irgendwen
gefragt hatte, wo ich denn mal telefonieren könnte. Der Auskunftgeber war
offenbar nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen.
    Jedenfalls stand ich auf einmal in diesem komischen Club der
einsamen Herzen und wollte gerade wieder gehen, als auf dem Tisch vor mir das
Telefon klingelte und ein Mann aus dem Hörer nuschelte. »Ich bin die Nummer 32 – guck mal!«
    Also guckte ich und entdeckte Friedrich, und da ich sowieso keinen
Haustürschlüssel mehr hatte, fand ich es ganz praktisch, die Nacht woanders zu
verbringen. Und dabei blieb mir sogar der lästige Beischlaf erspart. Denn ebenso
eindrucksvoll wie der Drache, den Friedrich sich rund um sein Gemächt hatte
tätowieren lassen, war seine Erektionsstörung. Rien ne va plus. Ich überlegte,
ob es wohl irgendeinen Zusammenhang gab. Aber die Höflichkeit verbot mir,
Friedrich danach zu fragen. Ich wollte nicht schuld sein, wenn die restlichen
Nervenstränge vor lauter Schreck am Ende auch noch den Geist aufgaben.
    Friedrich. Und jetzt sitzt er also im gleichen Flieger wie ich auf
dem Weg nach Florenz und erkennt mich nicht. Ich gehe weiter Richtung

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