Was - Waere - Wenn
weiß genau, wie du dich
fühlst.« Ich könnte aufstehen und der Schlampe aufs Maul hauen. Hätte ich nie
für möglich gehalten, daß ich mal in Versuchung geraten würde, mich für Heike
Ludwig zu prügeln. Aber in diesem Moment ist sie mehr als das: Sie ist ein
bißchen ich.
»Na ja«, meint Heike, »ich kann’s ja auch verstehen, Isa ist schon
eine tolle Frau. Dagegen bin ich langweilig.«
»Jetzt hör mir mal zu!« Ich bin’s, Charly Wood, Rächerin der
Entherzten. »An Isabell von der Mark ist überhaupt nichts toll! Die ist falsch
und hinterhältig und sie interessiert sich nur dann für einen Mann, wenn er
einer anderen gehört.« Jawoll, das mußte mal gesagt werden! Heike sitzt da und
starrt mich mit offenem Mund an.
»Also, daß du so etwas über deine allerbeste Freundin sagst – das
schockt mich doch ziemlich!« Allerbeste Freundin? Mit Verlaub, das schockt mich !
Doch bevor ich über mich selbst und die Auswahl meiner engsten
Freunde ein vernichtendes Urteil fällen kann, legt die Jazzband einen Tusch
hin, bei dem selbst Omi mit einem Schlag wieder strammsteht. Herr und Frau
Lichtenberg bauen sich mit stolz geschwellter Brust mitten im Saal auf, Moritz’
Vater reißt das Mikrophon an sich.
»Liebe Freunde, liebe Gäste!« Noch eine Rede? Morgens um fünf?
»Keine Angst, ich will hier keine Rede halten!« Erleichterung, wohin man
blickt. »Meine Frau und ich wollen das Hochzeitspaar lediglich darum bitten,
jetzt augenblicklich dieses Fest zu verlassen.« Ein Rauswurf von der eigenen
Hochzeit, das hat man auch nicht alle Tage. Klingt aber ganz cool. Moritz neben
mir grinst breit. Der weiß was.
»Was ist los?« will ich von ihm wissen.
»Wart’s ab.« Er grinst noch breiter, als hätte er gerade einen
ganzen Schwarm Kanarienvögel verschluckt. Frau Lichtenberg zieht hinter den
großen Lautsprecherboxen Stück für Stück eine ziemlich häßliche
Gepäckkollektion von Louis Vuitton hervor. Um das Set perfekt zu machen, müßte
da eigentlich noch ein Yorkshireterrier rausgucken. »Sieh mal, Schatz: unsere
Koffer!« ruft Moritz. Ich hatte es befürchtet. »Na, klingelt es?«
»Und nachdem uns Charlottas Vater heute abend mit seinen Worten eine
große Freude gemacht hat, haben wir neben dieser Feier«, er macht eine
ausholende Handbewegung, die wohl »alles meins« bedeuten soll, »eine weitere
Überraschung für euch: die Hochzeitsreise!« Während alle Gäste in frenetischen
Applaus ausbrechen, sehen meine Eltern aus, als hätte Herr Lichtenberg ihnen
soeben eine gezimmert. Was er ja auch hat. Was denkt dieser Idiot sich
eigentlich?
»Ist dein Vater noch ganz dicht?« rege ich mich auf.
»Schatz, bitte nicht wieder diese Diskussion, die hatten wir jetzt
oft genug«, erwidert Moritz. Da ich mich leider an keine einzige dieser
Diskussionen erinnern kann, wird er sie mit mir jetzt wohl doch noch einmal
führen müssen!
»Wie kommt er dazu, meine Eltern so zu beleidigen?«
»Bitte Schatz, du hast ja recht: Er ist ein Idiot. Aber wir werden
ihn nicht mehr ändern, also lassen wir ihn.« Ich halte die Klappe, obwohl
innerlich alles grummelt und ich Herrn Lichtenberg am liebsten mein
Louis-Vuitton-Kosmetikköfferchen an den Kopf werfen würde.
Aber es passiert was viel Besseres: Mein Vater steht auf, stellt
sich zu den beiden und spricht laut und deutlich ins Mikro: »Meine Frau und ich
haben euren Flug bezahlt. Business-Class. Und in zwei Stunden geht’s los. Und
die Jazzband, die ist übrigens auch von uns!« Ich finde es gut, daß er das
nicht so auf sich sitzen läßt.
»Daß ihr zwei auf Reisen geht, wußtet ihr ja schon«, ereifert sich
Frau Lichtenberg jetzt, »aber nun wollen wir euch endlich verraten, wohin: Wir
haben euch eine Suite reserviert. Im Rei di Firenze.«
»In Florenz«, flüstert Moritz mir ins Ohr, als wüßte ich nicht, was
Firenze bedeutet. Und während sein Vater und meiner sich am Mikro noch immer
kindische Wer-hat-was-bezahlt-Gefechte über das Büfett, die Blumendeko, den
Rolls Royce, der uns hergefahren hat, und die für den Abend eigens engagierte
Klofrau liefern, versinke ich in einem langen, langen Kuß mit Moritz.
Als uns die sonore Stimme von Käptn Kirk verspricht, daß wir in
zwei Stunden wohlbehalten auf dem Flughafen Peretola landen werden, kann ich es
noch nicht fassen. Immerhin hatte ich in meinem alten Leben schon drei
erfolglose Versuche unternommen, la Firenze persönlich kennenzulernen. Versuch
Nummer eins endete mit Julie in Mailand. Dann war
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