Was - Waere - Wenn
Schicht wegen »sciopero
generale« (Generalstreik – eine große Leidenschaft dieses großen Kulturvolkes),
und wir fanden uns nachts um eins auf dem zugigen Bahnhof wieder. Was
eigentlich auch nicht schlimm war, schließlich hatten wir da schon die
Bekanntschaft zweier mitreisender Transvestiten im Paillettenkleidchen gemacht,
die uns kurzerhand in ihren »Club« in die Mailänder Altstadt mitnahmen. Was
dann so alles passierte, habe ich aus guten Gründen löschen lassen – mitsamt
meiner kurzen Interrail-Karriere.
Versuch Nummer zwei war genaugenommen meine Oberstufenfahrt in der
zwölften Klasse. Beziehungsweise sie wäre es gewesen. Die Leistungskurse Kunst
und Latein hatten sich für Bella Italia angemeldet, und unser Deutsch- LK hatte kurzerhand beschlossen mitzufahren. Schließlich,
so unsere logische Erklärung für Florenz und gegen Frankfurt, sei ja schon
Goethe auf Italienreise gegangen. Aber auch diesmal sollte ich es nur bis
Bayern schaffen. Weil ich als einziges Mädchen darauf bestanden hatte, den
Jungs beim Leeren ihrer Barcardiflasche beizustehen, fand ich mich irgendwann
kopfüber in der Bustoilette wieder. Kurzerhand wurde ich auf dem Rastplatz
Nürnberg-Feucht entsorgt, auf eigene Kosten in ein Taxi und anschließend in die
Bahn gesetzt. Um meine Eltern nicht unnötig in Rage zu bringen, verbrachte ich
die anschließende Woche einfach bei Julie. Und ich kann nicht sagen, daß ich da
nicht auch jede Menge Erfahrungen gesammelt habe, die die Oberstufenfahrt
wahrscheinlich nur schwerlich getoppt hätte.
Meinen dritten Florenz-Versuch startete ich spontan nach einer
durchfeierten Nacht. Morgens um sieben stand ich mit einem Typen auf dem
Fischmarkt, der – ein Stück Gemüse in der Hand – feststellte, die deutschen
Tomaten seien im Vergleich zu den italienischen nur der vierte Aggregatszustand
von Wasser, was ich zum willkommenen Anlaß nahm, ihn und sein Auto zu einem
Trip Richtung Süden zu überreden. So düsten wir los und verstanden uns prima – mit fortschreitender Dealkoholisierung bekamen wir uns Kilometer für Kilometer
aber immer mehr in die Haare, bis unsere junge Liebe kurz vor dem Brenner in
Trümmern lag. Anschließend mußte ich gut tausend Kilometer zurücktrampen,
während mein Aufriß vom Fischmarkt alleine weitergurkte ins Land, wo die
Tomaten blühen.
Aber aller guten Dinge sind vier, und wie könnte der vierte Anlauf
besser beginnen als jetzt – als frischgebackene Frau Lichtenberg? Ich sehe zu
Moritz hinüber und frage mich, was er gerade denkt. Sieht er uns beide Hand in
Hand durch die Florentiner Altstadt laufen? Fragt er sich, wie viele Kinder wir
mal haben werden? Oder denkt er an die Hochzeitsnacht, die uns noch bevorsteht?
»Sag mal, Schatz? Wieso wußtest du eigentlich schon, daß unsere
Eltern uns eine Reise nach Florenz schenken?«
»Weil es meine Idee war«, antwortet Moritz knapp und winkt die
Stewardeß heran, um sie nach einer Zeitung zu fragen. Ich freue mich so lange
ein bißchen. Weil Moritz also doch weiß, was ich mir wünsche. »Ich kenne den
Direktor vom Rei di Firenze ganz gut, der hat meinen Eltern einen Sonderpreis
gemacht.«
Kann der Idiot nicht einfach die Klappe halten? Pragmatismus ist
eine schöne Sache, aber doch nicht auf meiner Hochzeitsreise !
»Warum guckst du denn so enttäuscht?«
»Och, nix.«
»Sag nicht nix, wenn es nicht stimmt. Du weißt, ich kann das nicht
leiden!«
»Es ist halt nur …«
»Ja, was denn?« Bin ich kindisch, wenn ich anfange, auf Prinzipien
herumzureiten? Immerhin geht es ja nach Florenz, ist doch egal, warum. Nein,
ich bin nicht kindisch. Ich bin eine Frau!
»Ich hab halt gedacht, wir würden nach Florenz fliegen, weil du
weißt, daß ich da immer schon mal hinwollte.« Schmoll.
»Schatz!« Moritz rollt die Zeitung, die ihm die Stewardeß gegeben
hat, genervt zusammen und klopft damit auf die Innenfläche seiner linken Hand.
»Hast du eigentlich vor, mich auf ganz subtile Art und Weise in den Wahnsinn zu
treiben?«
»Wieso?«
»Weil wir schon zweimal zusammen in Florenz waren! 1994 und 1997.
Außerdem hast du doch sogar deine Studienfahrt dahin gemacht.«
»Aber ich meine doch als Hochzeitsreise«, krächze ich
eingeschüchtert. »Auf Hochzeitsreise wollte ich immer nach Florenz.«
»Dann freu dich, daß es da jetzt für drei Tage hingeht.« Er hat mich
so weit: Mal wieder fange ich an zu flennen. Die Zeitungsstewardeß eilt herbei.
»Geht es ihnen nicht gut?« Ich flenne weiter. Das ist
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