Was - Waere - Wenn
herangeweht und sorgt vorerst für
eine Aussetzung meiner Exekution.
»Danke, ja«, rufe ich ihm zu und entreiße ihm eins der Gläser, die
er auf seinem Tablett balanciert. Schnell nehme ich einen Schluck, damit ich
bloß nichts mehr sagen muß.
»Dann eben morgen«, sagt Isa und lehnt sich ein Stück zurück, damit
ein zweiter Kellner ihr den ersten Gang servieren kann. Irgend etwas
Gallertartiges landet auf meinem Teller. Erinnert mich entfernt an eine Qualle.
Todesmutig würge ich es mir hinein. Habe den Eindruck, ich werde andernfalls
des Tisches verwiesen. Ich will Fischstäbchen!
»Köstlich!« schwärmt Dirk, und alle Anwesenden nicken ihm zustimmend
zu. Ich kann leider nicht nicken. Muß mich voll und ganz darauf konzentrieren,
nicht auf den Tisch zu kotzen. Zum Glück schenkt der Kellner mir gerade etwas
Wein ein, mit dem ich die Qualle hinunterspülen kann. Wenn jeder Gang so ist,
überlebe ich den Abend nicht. Ein schönes, aber kurzes neues Leben. Röchelnd
beendet unter einem Tisch im Vino e Verità. Hätte mir meinen Abgang etwas, nun
ja, glanzvoller vorgestellt.
Die Götter meinen es gut mit mir, die restlichen Gänge bestehen aus
Lebewesen, die mir durchaus als Lebensmittel bekannt sind. Schwerer verdaulich
sind allerdings die Gespräche: Die Männer faseln über Geschäftliches, wir Damen
ergehen uns in Haute Couture und Kosmetik. Was für ein Glück, daß ich gestern
noch in dieser Boutique war, so kann ich wenigstens hier und da passend ein
»Ich habe gerade eine wunderbare Handtasche von Balenciaga gesehen« fallen
lassen. Andererseits macht Heike auch nicht gerade einen frohen Eindruck. Warum
ist die eigentlich dabei? Scheint unser Wohltätigkeitsprojekt zu sein oder so.
Irgendwann muß ich die Unterhaltung mal ein bißchen aufpeppen, beschließe ich.
Das soll doch hier ein Geburtstag sein, oder? Als Heike nach dem Dessert den
Kellner um einen Martini bittet, ist meine große Stunde gekommen.
»Bei Martini fällt mir eine lustige Geschichte ein«, reiße ich das
Gespräch und die Aufmerksamkeit an mich. Alle sehen mich gespannt an. »Kennt
ihr …« Ich verbessere mich, weil mir noch rechtzeitig einfällt, daß sich einige
am Tisch siezen, »Kennen Sie die Schriftstellerin Dorothy Parker?« Alle
schütteln den Kopf. »Von der stammt mein absolutes Lieblingszitat«, erkläre
ich. »Und eine Zeitlang habe ich es ganz genau so gehalten.«
»Und?« will Heike wissen und nippt an ihrem Martini.
»Passen Sie auf«, erzähle ich eifrig, »das geht so: Nach drei
Martini liege ich unter dem Tisch, nach vieren unter dem Gastgeber.« Heike
bricht in schallendes Gelächter aus, und auch ich pruste los. »Kommt immer gut,
wenn man sich einen billigen Abend machen will«, füge ich hinzu, »einmal den
Spruch aufgesagt, schon sprinten die Kerle los, um einen mit Martinis zu
versorgen!« Heike kriegt sich vor lauter Lachen gar nicht mehr ein. Ganz im
Gegensatz zur restlichen Runde. Erst jetzt fällt mir auf, daß mich alle mit
offenem Mund anstarren, Moritz umklammert seine Dessertgabel, als wolle er sie
mir jeden Augenblick in den Rücken rammen. Ich räuspere mich. »Nur ein kleiner
Scherz war das«, erkläre ich, »sollte das sein … also … ja …«
Den Rest des Abends verbringe ich schweigend. Scheint das Schlauste
zu sein, was ich tun kann. Hin und wieder erhasche ich einen strafenden Blick
von Isabell, aber ich gebe mir Mühe, mich davon nicht provozieren zu lassen.
Andernfalls müßte ich leider aufspringen, sie beim Kragen packen und anbrüllen:
»Was ist? Bist du meine Gouvernante, oder was?« Und ich habe den Eindruck, das
wiederum würde Moritz ganz und gar nicht gefallen.
Gegen Mitternacht löst sich diese ungemein fröhliche Versammlung
auf, ich bin mehr als froh, hier endlich rauszukommen. Die Verabschiedung von
den anderen ist höflich, aber distanziert. Bis auf Heike, die kichert immer
noch leise vor sich hin. Draußen fällt sie mir spontan um den Hals.
»Charly«, flüstert sie mir ins Ohr, »du warst großartig. Ganz, ganz
großartig, habe mich lange nicht mehr so amüsiert.«
»Danke«, sage ich. Und freue mich wirklich, daß wenigstens einer
meinen Vortrag lustig fand. Früher haben Tim, Georg und ich uns immer
totgelacht, wenn einer von uns solche Geschichten erzählt hat. Früher. In
meinem jetzigen Bekanntenkreis kommen meine Witze offenbar nicht ganz so gut
an.
Auf dem Heimweg sagt Moritz kein einziges Wort. Ich schweige
ebenfalls. Wer zuerst spricht, hat
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