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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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nur Tarnung, in Wahrheit druckt der verwahrloste Typ im Hinterzimmer schlecht
gefälschte Euro oder so was. Ob der vielleicht einen Job für mich hat, wenn
sich meine Karriere bei Arts & Tainment in vermutlich dreißig Minuten
erledigt hat?
    Etwas unschlüssig stehe ich vor der verschlossenen Tür und überlege,
ob ich einfach ein paar der vorübereilenden Passanten nach Tim fragen sollte.
Irgendwer wird sich doch noch an die Kneipe und ihren Besitzer erinnern, war
doch hier schließlich mal eine echte Institution!
    »Entschuldigung«, spreche ich eine Frau in meinem Alter an, »kennen
Sie noch das Drinks & More?« Sie sieht mich verstört an, als hätte ich sie
nach ihrem Preis gefragt, und hastet davon. Kein wirklich vielversprechender
Anfang, aber das will ja nichts heißen. Ich spaziere weiter durchs Viertel und
halte Ausschau nach potentiellen Kneipengängern. Was in Ottensen eigentlich
nicht schwierig ist, als typisches Studentenviertel sind hier eigentlich alle potentielle Kneipengänger. Aber auch die nächsten drei
Leute, die ich nach dem Drinks & More frage, schütteln nur bedauernd mit dem
Kopf. Aber es ist ja auch fast klar: Ich bin viel zu früh unterwegs, um diese
Zeit liegen die Leute, die früher meine Gäste waren, alle noch im Koma. Würde
ich ja normalerweise jetzt auch tun. Möglicherweise einen knackigen Kerl an
meiner Seite. Aber mein knackiger Kerl hockt gerade
in seinem Büro, und ich selbst weiß schon gar nicht mehr, wann ich meinen
letzten Kater ausschlafen mußte.
    Als ich am Bahnhof vorbeikomme, fällt mein Blick auf eine dunkle
Nische zwischen Zeitschriftenkiosk und Rolltreppe. Als ich genauer hinsehe,
entdecke ich ein Bein in einer braunen Kordhose, die mir irgendwie bekannt
vorkommt. Das Bein gehört zu einem Menschen, der mit Zeitungen zugedeckt ist.
Ein Penner. Mir bleibt das Herz stehen. Nicht irgendein Penner.
    »Georg!« rufe ich erschrocken, laufe auf ihn zu und beuge mich zu
ihm hinunter. Obwohl er so stinkt, daß es mir fast den Atem verschlägt, knie
ich mich neben ihn und rüttele ihn sanft an der Schulter. Er gibt ein Grunzen
von sich und öffnet leicht die Augen. »Georg, was machst du denn hier?« Mir
wird ganz schlecht.
    »Was’n los?« lallt er und blinzelt gegen das Tageslicht an.
    »Ich bin’s, Charly«, sage ich und muß fast heulen.
    »Charly?« flüstert er benommen und schließt die Augen wieder.
    »He!« rufe ich, »nicht einschlafen!« Aber er rollt sich grunzend zur
Seite. Ich sehe mich nach Hilfe um. »Hallo!« schreie ich. »Kann mir mal jemand
helfen?«
    »Laß den mal, Mädchen!« Der Mann vom Kiosk steckt seinen Kopf aus
dem Verkaufsfenster. »Der ist fertig, siehste doch!«
    »Ja, aber wir können ihn doch nicht so liegen lassen!« Ich merke,
wie ich langsam hysterisch werde. Georg! In der Gosse, total besoffen!
    »Der liegt hier schon seit Jahren jeden Tag«, meint der Kioskmensch.
»Aber die Polizei tut ja nichts. Mal räumen sie ihn weg, ein paar Tage später
ist das versoffene Schwein wieder da.« Ich stürze auf den Kiosk zu.
    »Das ist kein versoffenes Schwein!« brülle ich den Mann im Laden an.
Der hebt sofort abwehrend die Hände.
    »Schon gut, schon gut!« sagt er in beruhigendem Tonfall. Dann läßt
er mit einem lauten Knall das Schiebefenster runtersausen. Ich drehe mich
wieder zu Georg. Mir laufen jetzt dicke Tränen über die Wangen. Was ist hier
nur passiert? Ist das etwa auch meine Schuld? Habe ich es zu verantworten, daß
Georg hier so … Ich flenne wie ein kleines Kind. Dann knie ich mich wieder
neben ihn.
    »Es tut mir so leid«, schluchze ich, »es tut mir so leid! Das ist
alles meine Schuld …« Mein Blick fällt auf eine der Zeitungen, mit denen Georg
notdürftig zugedeckt ist.
    »St.   Pauli – jetzt in der Regionalliga«, steht da schwarz auf weiß.
Hektisch reiße ich die Zeitung an mich. Georg gibt wieder ein lallendes Grunzen
von sich. Ich überfliege den Artikel. Und kann gar nicht fassen, was da steht:
Nachdem sich kein Finanzier gefunden hat, sei der Zwangsabstieg des FC St.   Pauli jetzt besiegelt. Kraftlos sacke ich zu
Boden, greife nach der Flasche neben Georg und nehme einen großen Schluck.
Schmeckt wie die Hölle, aber das ist mir in diesem Moment egal. Was ist hier
los? Es gab doch jemanden, der den Fußballverein unterstützt hat! Ich weiß es
genau, Tim hat es doch damals erzählt! Wie war das noch? Eine Brauerei. Köster.
Krüger. Nein, Köhler! Köhler heißt der Besitzer, das weiß ich noch genau,

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