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Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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weil
der Mathelehrer, dem ich meine Ehrenrunde zu verdanken habe, auch so hieß. Und
was ist jetzt bitteschön mit Herrn Köhler? Hat der beschlossen, seine Kohle
doch lieber in andere Spielereien anzulegen, die auf dem Kiez so erhältlich
sind?
    Georg stöhnt auf und unterbricht mich in meinen Gedanken. Was mache
ich nur? Ich kann ihn doch hier nicht so liegenlassen? Eigentlich müßte ich ihn
mit nach Hause nehmen, da könnte er sich erst einmal gründlich ausschlafen und
Kräfte sammeln. Aber Moritz würde bestimmt ausrasten. Außerdem, wie soll ich
ihm erklären, wer Georg ist? Ratlos sehe ich mich um und überlege, was ich tun
kann. Und entdecke ein Hotel direkt neben dem Bahnhof. Das ist es!
    »Los, komm, aufstehen!« Ich greife Georg beim Arm und versuche, ihn
hochzuziehen. Aber er ist einfach viel zu schwer für mich, allein schaffe ich
das nicht. Auf den Kioskmenschen kann ich wohl auch nicht zählen. Oder
vielleicht gerade? Ich setze mein nettestes Lächeln auf und klopfe an die
Scheibe des Kiosks. Das Gesicht des Verkäufers erscheint und mustert mich
skeptisch. Ich mache eine bittende Geste, er schiebt das Fenster wieder hoch.
    »Hör mal zu«, sagt er, bevor ich mein Anliegen überhaupt vorbringen
kann, »finde ich ja gut, Streetworker und so. Aber laßt mich bloß in Ruhe, ich
hab hier meine eigenen Sorgen.«
    »Was würden Sie sagen«, meine ich und lächele noch etwas breiter,
»wenn ich dafür sorge, daß der Penner hier nicht mehr rumliegt?« Na also!
    Im kleinen Hotel begrüßt man uns nicht gerade wie hohen
Staatsbesuch, als der Mann vom Kiosk und ich den total betrunkenen Georg
hineintragen. Im Gegenteil. Die Frau hinter der Rezeption sieht eher so aus,
als würde sie am liebsten sofort Alarm schlagen.
    »Wir brauchen ein Zimmer«, stelle ich in einem Ton fest, der
hoffentlich keinen Widerspruch duldet, nachdem wir Georg vor der Rezeption
abgeladen haben.
    »Es tut mir leid«, erwidert die Frau mit gerümpfter Nase, »wir sind
hier kein …«
    »Für eine Person. Vorerst für einen Monat«, rede ich unbeirrt weiter
und haue meine goldene Amex auf den Tresen.
    »Ich weiß nicht«, meint die Frau und dreht sich hilfesuchend zu
einem Kollegen um, der gerade aus dem verglasten Büro hinter ihr kommt. Der
wirft einen schnellen Blick auf meine Karte. Dann auf mich. Dann auf den
Kioskbesitzer. Dann auf Georg. Dann wieder auf die Amex.
    »Kein Problem«, meint er lächelnd. »Mit Vollbad oder mit Dusche?«
    »Mit Vollbad.« Wenn schon, denn schon. Und Georg kann wahrlich ein
Bad gebrauchen.
    Zurück bei Arts & Tainment schleiche ich mich an allen Türen
vorbei, schließe mein Büro auf und setze mich an meinen Computer. Gerade
rechtzeitig, denn wenig später steht Isa vor mir. In der Hand hält sie meine
Kalkulation. Bitte, für Kündigungsgespräche habe ich jetzt keine Zeit. Soll in
einer Stunde wiederkommen. Dann kann sie mich gern rausschmeißen.
    »Deine Kalkulation«, beginnt sie, und ich schalte meine Ohren schon
mal vorsichtshalber auf Durchzug, »ist ganz großartig.« Oh. Ohren wieder auf
Empfang. »Nein, wirklich, das muß ich dir mal sagen, super! Damit liegen wir
mit Sicherheit weit unter den Angeboten der Konkurrenz.« Mit diesen Worten
schwebt sie wieder hinaus, und ich bin fast enttäuscht, daß sie mich nicht
aufgefordert hat, meinen Schreibtisch zu räumen. Andererseits ganz gut, denn so
kann ich in Ruhe herausfinden, was es mit dieser ganzen St.-Pauli-Geschichte
auf sich hat. Ich hole die Zeitung, die ich mir in die Jacke gestopft hatte,
hervor und streiche sie auf meinem Schreibtisch glatt. Kein Zweifel, in dem
Artikel ist keine Rede von diesem Köhler, als hätte es ihn nie gegeben. Ich
hänge mich ins Internet und hoffe, daß ich ihn finde.
    Ein paar Klicks hier und da, schon habe ich Herbert Köhler von der
Simon-von-Uetrecht Privatbrauerei am Wickel. Es gibt einige Artikel über ihn,
die meisten davon sind uninteressant. Bis auf einen. In dem steht, daß Köhler
im letzten Jahr sein gesamtes Vermögen an einen windigen Finanzberater verloren
hat.
    Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was das bedeutet. Wenn
Köhler ein so großer St.   Pauli-Fan ist, daß er dem Verein mit einer riesigen
Summe unter die Arme greifen wollte – hat er es dann vielleicht nur deshalb
nicht getan, weil er selbst pleite ist? Oder hat das nichts miteinander zu tun?
Und wenn doch, habe ich dann wiederum etwas damit zu tun? Die Frage läßt mir
keine Ruhe, ich muß es einfach

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