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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Ungerer
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bemerkt er zum Prozess, das Recht, aus seinem Leben zu erzählen – auch er komme aus einem Haushalt ländlicher Natur, genauer: einem »väterlichen Haushalt professoraler Art«, und zwar sei der Vater Professor für Staatsrecht gewesen. Und ehe der Sohn also in seinem kunstbegrifflich nicht ganz unbewanderten Plädoyer auf den Wiener Aktionismus verweist, auf Happening und Fluxus, ehe er die drei Begriffe »Kunst«, »provokativ« und»Freispruch« zu einem stimmigen, nachgerade zwingenden Akkord verbindet; ehe er also all die Anzeigen als Angriffe auf die Freiheit der Kunst kenntlich macht, kommt er nicht umhin festzustellen, wie weit die Kirche tierschutzmäßig schon aus dem Dorf herausgerückt ist: »Unsere Jagdhunde erlernten den Genickbiss, indem ihnen Kaninchen zugeführt wurden.« Und deswegen wird man doch wohl keinem Staatsrechtsprofessor etwas anhängen wollen, oder?
    Eine Frau gibt es auch in der Verteidigerriege. Die plustert nicht. Die hat nicht einmal ihre Mandantin dabei. Die Mandantin nämlich, Mandy Zellier, Name geändert, 28 Jahre jung, will mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, will keine Journalisten sehen, keine Basecaps spazieren tragen, die auf die Website zur Kaninchentötung verweisen. Mandy Zellier will hier gar nichts. Sie will nicht – wie der Mitangeklagte, der Ex-Biofleischer N. – von der Oma erzählen, welche den Hühnern früher die Köpfe abhackte (worauf die Hühner noch bis vierzig Meter weit flogen, übern Bach rüber), will keine Vorträge halten wie der Hauptangeklagte, der Künstler R., welcher nach eigenem Bekunden »nicht nur mit Kaninchen gearbeitet« hat, sondern zum Beispiel auch 2006 mit einem toten Lamm über das »Art Forum« gelaufen ist, wo er sich mit verlangsamten Bewegungen in verschiedene Installationen hineingestellt habe; Mandy will einfach alles hinter sich lassen. Guten Glaubens, so berichtet ihre Anwältin, sei Mandy hineingeraten in die Kunst.
    Ein Abend im »Monsterkeller« in Berlin-Mitte, Februar 2006. Hierher wurden Bekannte geladen, und brav hatte auch die
B.Z.
einen Reporter hingeschickt, um späterhin kilometerlang Druckerschwärze fließen lassen zu können (»Der grausame Hasenkiller. Jetzt ermittelt die Polizei gegen ihn«, »Ekel-Spektakel«, »Wieso ziehen sich so viele Frauen für den Hasenkiller aus?«). Die Wände im »Monsterkeller« hingen voll großformatiger Fetischaufnahmen von Mandy, über welche der Künstler stellenweise ein wenig Farbe gepinselt hatte, der Kunst halber, und schon ging es los: Mandy trat auf, angezogen und mit Perücke; ebenso trat der Ex-Biofleischer auf. Beide guckten recht ernst, mindestens ebenso ernst wie man gucken muss, wenn man sich mit einem toten Lamm in eine Installation stellt. Kurz drauf holte der Ex-Biofleischer die beiden Kaninchen aus ihrem Käfig hervor, erst eines, dann das andere. Jeweils hielt er es fest an Vorder- und Hinterläufen. Dann drehte Mandy dem Kaninchen den Hals um. Sie schlug ihm den Kopf ab mit einem Beil. Und schließlich versenkte Künstler R. diesen Kopf in einem Behälter mit Formaldehyd.
    Mandy sieht das heute sehr kritisch. Ihre Verteidigerin lässt da keinen Zweifel: Mandy gesteht die sinnlose Tötung zweier Wirbeltiere weitgehend ein, aus ihrer Sicht sei es nicht geplant gewesen, dass das alles an die Öffentlichkeit komme, und benutzt fühle sie sich. Strafmildernd sei immerhin zu werten, dass die Kaninchen möglicherweise durch einen gezielten Handkantenschlag des Ex-Biofleischers zuvor betäubt worden waren. (Was sich kaum widerlegen lässt.) Mandy beansprucht keine Kunstfreiheit. Sie will ihre Strafe abbezahlen. 600 Euro werden es sein, damit kann die Seele ihre Ruhe finden und kann eine gnädige Welt das Ganze vergessen.
    Das Gericht aber, es vergisst hier gar nix. Dafür ist zu viel vorgefallen. Die Kaninchenkillerei, gut und schön, die hätte man ja fix abhandeln können, in einem ruhigen, stillen, braun getäfelten Saal, in den kaum eine Fliege sich verirrt. Was aber im Vorfeld geschehen ist und was sich heute noch unter den Augen des Richters abgespielt hat: der Medienrummel auf Papier und hier im Saal, die feixenden Kumpels des Künstlers, die keck gucken und es nicht schaffen, ihr Handy auszuschalten; vor allem aber: die Auftritte der beiden Verteidiger hier, wovon einer den Medien sogar angebliche Inhalte eines vertraulichen Gesprächs mit dem Staatsanwalt hingeworfen hat – nun, also! Diese Dinge alle, sie beeinflussen natürlich das Urteil kein

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