Was weiß der Richter von der Liebe
bisschen. Aber erwähnt werden sie doch, nicht ohne Empörung und nervöses Hüsteln, erwähnt wird ebenfalls die besondere Schutzlosigkeit zweier »kleiner Kaninchen«, welche »aus Klamauk« und »um Aufmerksamkeit zu erregen« getötet worden seien; erwähnt wird scharfen Blickes eben auch des Ex-Biofleischers Basecap mit der Website-Adresse, und um die ganze juristische Bodenlosigkeit der Herren Verteidiger vorzuführen, vergisst der Richter auch nicht den schlichten Hinweis: dass Otto Mühl 1969 eben auch eine andere Gesetzeslage vorgefunden habe und keinen Tierschutz-Artikel 20a in unserer Verfassung.
Ohne Belang also sei, was in des Verteidigers Studentenzeit sich zugetragen habe, denn wir lebten im Jahre 2007. Und somit guckt der Richter noch einmal mit der gebotenen Säuerlichkeit, entlässt dann Mandy mit den gnädigen dreißig Tagessätzen in ihr weiteres Leben und geht bei Künstler und Ex-Biofleischer nochüber die Anträge der Staatsanwaltschaft hinaus: 80 mal 30 Euro soll der einstige Lammschlepper zahlen, 50 mal 20 der frühere Lebensmetzger. Und wenn der Berichterstatter sich als vierte Gewalt hier anschließen darf, so greift auch er zur Höchststrafe und breitet ein tiefes, ernstes Stillschweigen über die Namen dieser beiden Kulturschaffenden.
DIE BEGABTE BEAMTIN
Der Inspektionschef hatte da eine Idee, und wie das so ist mit Chefs: Wenn sie eine Idee mit sich herumtragen, sind sie besonders gefährlich. Jovial schob er sich zu Herrn Koller hin, dem untergeordneten Leiter der Passersatzbeschaffung, es war ein entspannter Abend am Ende eines berufsethischen Seminartages, ein solcher Abend, an dem die Menschen einander näherkommen, Weinchen stemmen, Lieder summen und von früher erzählen – wenn sie nicht in die Fänge geraten sind eines Chefs mit einer Idee.
Dieser hier, Herr Blöcker, neununddreißig, damals Leiter der Bundespolizeiinspektion »Polizeiliche Sonderdienste«, war nun für den Moment ein ganz besonders explosiver Kontakt und einer, dem man sich schwerlich entziehen konnte, fern der Heimat, fern von Vorgängen und Telefonbimmeln. In den Tiefen seiner ruhigen, stiernackigen Erscheinung glühten im August 2005: eine Ehe in Trümmern, des Sohnes Schulprobleme – und, ach ja, dieser nette, interessante Urlaubskontakt: 24 Jahre alt, Ukrainerin, in der Türkei kennengelernt, und, wie der Zufall so spielt, ebenfalls Polizistin. Mit ihr ließen sich sportliche Aktivitäten ebenso betreiben, wie man sich austauschen konnte über polizeiliche Belange, wie sich der eine oder andere Wein verkosten ließ oder von der Ukraine schwärmen, an die Herr Blöcker aus seiner Jugendzeit noch die schönsten Erinnerungen im Herzen trug – mehr war da nicht. Sagt er.
Die Richterin hält ein Foto hoch, es muss wohl bei der Wohnungsdurchsuchung aufgebracht worden sein. Sie sagt: Die Bilder aus dem Türkei-Urlaub, die wirkten aber schon sehr vertraulich. Aber da hat sie sich getäuscht. Der Osteuropa-Experte Blöcker klärt sie auf: Damen von dort, sagt er, sähen am letzten Abend immer so schmuck aus, mit Dekolleté und so – und da sei man an so einem Fotostand vorbeigekommen, und da habe sie dann gerufen: Foto! Foto! Na ja. Wie das halt immer so ist.
Wenige Wochen später saß dann also Passersatzbeschaffer Koller im Qualm und in der Klemme. Eine gute Stunde lang bemühte sein Vorgesetzter sich rührend um ihn sowie auch um das, was vor Gericht jetzt einvernehmlich »Philosophieren« genannt wird: Hin wogte das Gespräch und her, und wie es so wogte, spülte es spontan auch einen kolossalen Gedanken hervor: ob es nicht für die Bundespolizei wünschenswert sei, verstärkt ausländische Polizeibeamte und -beamtinnen in ihre Tätigkeit mit einzubeziehen?
Nicht wahr – gerade auch die Passersatzbeschaffung weiß ja von Sprachproblemen ein Liedchen zu singen! Und wenn man nun aus den üblichen verdächtigen Staaten den einen oder die andere Beamtin in den eigenen Reihen hätte; wenn man also Polizisten, etwa aus der Ukraine, in die Bundespolizei übernehmen könnte – das wäre doch unbedingt im Sinne aller, denen am Grenzschutz gelegen ist! Da Herr Koller nichts dagegen zu sagen wusste und da ebendieses Nachgeordnetenschweigen für Chefs oft eine wichtige Voraussetzung bei der Entwicklung ihres visionären Gedankengutes ist, so kam sie dann plötzlich hervor, jenefamose Offenbarung, für die dieser Abend wie gemacht schien: Herr Blöcker selber habe im Urlaub eine ukrainische Kollegin getroffen,
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