Was weiß der Richter von der Liebe
sehen sich zum Eingreifen gezwungen: Vor prescht VE Peter, er ruft Herrn Koop an. Wieder trifft man sich beim Italiener, VE Peter müsste seinen Sender auf dem Tisch verstecken, so wie die beiden letzten Male. Nur ist Herr Koop schon da. VE Peter lässt den Sender also in der Jacke, er hängt die Jacke über den Stuhl, der Sender ruht hübsch unauffällig unterhalb der Tischplatte. Von da aus sendet er nun zwei Stunden lang Klaviergeklimper und Geschirrgeklapper an die Kollegen vom BKA, und manchmal sind zwischendrin Gesprächsfetzen zu erahnen.
Das BKA legt den Ertrag als DAT-Band vor, der Vorsitzende Richter hält es mit spitzen Fingern in die Luft, er sagt: »Das Landgericht Berlin ist nicht in der Lage, so etwas abzuspielen.« Das BKA hilft aus, es stellt ein Abspielgerät zur Verfügung. »Technikervor!«, ruft der Richter und meint seine Beisitzerin, die das Wunderwerk souverän bedient: Talare stehen auf und schleichen hinter ihren Tischen hervor, sie beugen die Köpfe über das Gerät, sie setzen Kopfhörer auf, setzen Kopfhörer wieder ab, mit Kopfhörern ist das schlechter, findet der Verteidiger, laut rauscht der Saal, Klavierakkorde machen sich breit, stramm steht der Verteidiger, die Richterin kratzt sich am Haar, gemeißelt blickt der Staatsanwalt in die nicht vorhandene Ferne, der Vorsitzende legt den Kopf schief, er sieht die Box an, als wären keine Geduld und kein Wunder ihm fremd. Nach einer ewigen Zeit bricht man ab, der Richter sagt: Für meine eigene Überzeugung kann ich da keine Beweisfähigkeit erkennen. Der Verteidiger sagt: Da sind Sätze drauf, da sind Worte drauf, die hätte das BKA auch zu Papier bringen können! Hat es aber nicht.
Umso mehr wollen wir uns auf VE Peter verlassen und sein staatstragendes Gedächtnis: 25 000 Euro bietet Herr Koop ihm bei diesem dritten Treffen für den Mord an, dazu die Hälfte der zurückgeholten Gelder, für die Umsetzung hat Herr Koop sich eine vierte Variante ausgedacht: das spurlose Verschwinden Herrn Müllers. VE Peter sagt, dass der Auftrag zeitnah umgesetzt werde und dass es dann kein Zurück mehr gebe. Herr Koop sagt: »Das ist erfreulich, dann klappt wenigstens etwas in diesem Jahr.« So geht man auseinander. Und sieht sich erst vor Gericht wieder. Der Staatsanwalt fordert sechs Jahre und sechs Monate Haft. Herr Koop sagt, er wusste ja, dass er mit einem Polizisten spricht und dass der niemanden umbringen werde, also habe er gar keinen Mordauftrag erteilt. Sein Verteidiger plädiert aufFreispruch. Die 32. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts kann nicht folgen. Sie verurteilt Herrn Koop zu drei Jahren und neun Monaten Haft wegen versuchter Anstiftung zum Mord.
FRAU PERSIGEHLS GESETZ
Sobald sie kann, wird Frau Persigehl wegziehen aus Hohenschönhausen. Sie lebt jetzt in der Vincent-van-Gogh-Straße, die früher die Erich-Correns-Straße war, in Ehren benannt nach dem derzeit vielleicht nicht mehr ganz so bekannten Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front der DDR, Träger des Vaterländischen Verdienstordens sowie des Karl-Marx-Ordens, Mitbegründer der Zeitschrift »Faserforschung und Textiltechnik«, einer treuen Säule jenes Staates, der Hohenschönhausen werden ließ, damals, einen Ort für viele junge Familien, moderne Wohnanlagen am Rande des Brandenburger Flachlands, das für schöne Ausflüge genutzt werden kann, in dem man sich tummeln und wo man alles hinter sich lassen kann, selbst das große Klärwerk von Falkenberg, auf das die Erich-Correns-Straße zulief und das ja nun stillgelegt ist, ab und zu nur verirrt sich ein entflogener Nymphensittich hierher.
Breit ruht das Riesengelände und bedeutet dem Wohngebiet sein Ende, hier, wo alle Straßen im Halbkreis verlaufen und nach Uckermark klingen: Welsestraße, Biesenbrower Straße, Wartiner Straße. Frau Persigehl sagt: Wir sollten uns einmal dorthin begeben, einen Nachmittag nur dasitzen, wenn in der Randowstraße das Nachbarschaftsleben erwacht.
Die Kinder verkloppen die Behinderten, sagt sie, Eltern sitzen mit Bierflaschen in den Sandkisten herum, da könnt ihr einen Bericht schreiben! So viele Asis, sagt Frau Persigehl, so viele Unnormalewie in Hohenschönhausen hat sie noch niemals erlebt, ein normaler Mensch könne es gar nicht aushalten dort.
Recht hat Frau Persigehl. Jemand sollte dorthin fahren, gespitzten Griffels, die S-Bahn führt ja auch dorthin, jemand sollte die Ohren aufstellen und die Netzhäute freiräumen, jemand sollte einmal dort sein und
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