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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Ungerer
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welche einen sehr patenten Eindruck auf ihn gemacht habe. Die habe nun überraschend Bildungsurlaub bekommen und würde sich gerne mal umsehen in der Bundespolizei – Auftrag also an Herrn Koller: Er solle doch einmal mit der Botschaft in Kiew klären, wie man ihr möglichst unbürokratisch zu einem Visum verhelfen könne. Herr Koller verstand. Griff vielleicht zum nächsten Wein. Oder stieß Rauch aus. Vielleicht drückte er nur einen kleineren Stoßseufzer weg, vielleicht war da auch schon eine dunkle Ahnung – so genau wissen wir das alles nicht.
    Herr Koller ist heute auch hier. Gestern gerade fünfzig geworden, tappt er herein, rötliche Lederhaut lässt auf einen Geduldsmenschen schließen – man glaubt sofort, dass er es in irgendeiner Behörde zum Leiter von irgendwas gebracht hat. Der eine oder andere Prozessbeobachter mag froh sein, nichts von ihm zu wollen, nichts von ihm anfordern zu müssen, keinerlei Papier, das zusammen mit einem Abzuschiebenden in die nächste Maschine zu verbringen wäre. Als menschliches Wesen allerdings, das vorsatzlos in einen Strudel aus Unglück und Überspannung gerissen wurde, genießt Herr Koller für den Moment unsere ganze Sympathie, wie er da nun sitzt, seines Amtes enthoben, dem er nachtrauert, selber noch in ein Disziplinarverfahren verstrickt, und wie er alle Fragen und alle Erinnerungen im selben Ton verknurrt. Der Auftrag, der ihn an jenem berufsethischen Abend überkam, sei »von vorne bis hinten nervig« gewesen: die Botschaft in Kiew zu bearbeiten. Mit offiziellem Briefkopf, dem Betreff»Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden« und eigener Unterschrift. Weil Herr Blöcker ihm beschied: Er solle ruhig selber unterschreiben, das sei ja nicht so eine wichtige Angelegenheit.
    Und da wird er wohl recht gehabt haben. Im Grunde war ja der ganze Vorgang eine Nichtigkeit – schon deshalb, weil eine Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden weiter oben hätte eingefädelt werden müssen, über die Bundespolizeidirektion. Doch es drängte ja die Zeit! Die begabte Beamtin hätte im September kommen wollen! Und da erwies Herr Blöcker sich eben als ein Mann der Tat: »Das war sicherlich eine mutige Entscheidung meinerseits«, sagt er, »aber ich war ja auch Leiter der Dienststelle, nicht irgendein Angestellter der Dienststelle. Da habe ich sie natürlich eingeladen.« Das war doch endlich einmal eine Forschheit, ein frischer Wind, wie er viel zu selten durch deutsche Behördenflure pfeift – und ganz gewiss mutig in jenem Sommer 2005, als die deutsch-ukrainische Visaaffäre sich gerade trollen wollte.
    Alle reagierten völlig über! Gleich bei nächster Gelegenheit – seine Telefonanlage war ein paar Tage nicht in Ordnung gewesen – schlug der bundespolizeiliche Verbindungsbeamte aus Kiew Alarm: Er habe Probleme mit dem Vorgang. »Schön, dass Sie sich mal melden«, knarzte da Herr Koller noch, und dann ging alles ganz schnell, ging es im schönsten Tempo bergab für den mutigen Dienststellenleiter und seinen wehrlosen Vasallen, der heute eine Bußgeldstelle ziert. Sie hatten anzutanzen beim Präsidenten ihres Bundespolizeipräsidiums Ost. »Sehr hasserfüllt«,erinnert sich Herr Blöcker, sei das ganze Gespräch gewesen, sehr »ablehnend meiner Person gegenüber«. Woher er denn überhaupt wisse, dass seine Urlaubsbekanntschaft Polizeibeamtin sei? »Einschleusung« hieß es auf einmal, »Strafanzeige« hieß es, und ein intuitives Nachrichtenmagazin erkannte im Nu die ganze Tragweite des Geschehens: »Die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes prüft dem Vernehmen nach die Verbindung der jungen Frau zum zentralen ukrainischen Nachrichtendienst SBU.«
    Aber da kann Herr Blöcker nun wirklich nicht folgen. Er hat das Ende seiner Karriere hingenommen. Er wird die heutige Geldstrafe von 9600 Euro überleben. Aber auf einem besteht er auch jetzt noch: Die Frau T., das sei eine sehr anständige, sehr kluge Frau, er habe sie auch einmal in Donezk besucht, da habe er das Video ihrer Ernennung gesehen, und damit alle sich von ihrer Person überzeugen könnten, habe er auch darauf bestanden, sie hier als Zeugin vorzuladen – aber da habe es dann leider Komplikationen mit ihrer Dienststelle gegeben. Ist eben überall dasselbe mit der leidigen Bürokratie.

TISCHTENNIS, DANN STERBEN
    Er hat ja alles richtig gemacht. Was soll das? Reinhard Wroblewski, sechzig Jahre alt, weiße Fritz-Walter-Tolle, bauchig, hat doch nur versucht zu helfen. Das ist ja sein Job.

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