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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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verwachsen.
    Ich halte die Visitenkarte in der Hand und frage mich, woher die Wirtin das wissen will. Auf der Karte steht keine Telefonnummer. Nur die Adresse. Morgen, denke ich, morgen, wenn es mir nicht besser geht, mache ich einen Spaziergang die Mariahilfer Straße runter, am Naturkundemuseum vorbei, über den Ring, Heldenplatz, Stephansdom, runter zum Kanal. Dann gehe ich rüber in denzweiten Bezirk und statte diesem Arzt,
diesem vertrauenswürdigen Menschen
, einen Besuch ab.
    Ich habe Hofffmann gefragt, warum er mir seine Wohnung nicht zeigt. Das hat keinen besonderen Grund, hat er gesagt. Es hat sich noch nicht ergeben. Also los, gehen wir hin. Hofffmann ist nervös geworden. Das erste Mal, seit ich ihn kannte. Gehst du da hin, wenn du verschwindest? Ja, sagte Hofffmann, ich habe zwei Freunde, die bei mir wohnen, einer von den Freunden bekommt nicht gerne Besuch, der andere braucht viel Fürsorge. Der eine ist ein Mensch, der andere ist ein Hund. (»Wir sind auch nur Tiere. Versprochen.«) Wir sind zurück zu seinem Taxi, das er am Fuß des Weinbergs geparkt hatte. Hofffmann hat mich streng angesehen, bevor er den Schlüssel im Zündschloss drehte. Es gibt diese zwei Dimensionen, hat er gesagt. Du suchst nach der Wahrheit über deinen Vater und ich suche nach einem Weg, die Welt besser zu machen. Ich habe nicht verstanden, wovon er sprach. Hofffmann legte den Zeigefinger auf die Lippen. Auf der Fahrt haben wir kein Wort gesprochen. Hofffmann wohnte mitten in der Stadt, wir waren schon x-mal an dem Haus vorbeigelaufen, nebendran war ein altes, verrottetes Kino. (»Manche Leute schließen die Augen, wenn sie vorbeilaufen. Filme, Schätzchen.«) Hofffmann wirkte sehr ernst. Fast ein bisschen feierlich. Wir sind eine alte, morsche Treppe rauf und standen dann in seiner Wohnung. Ein riesiger, quadratischer Flur, von dem unzählige Zimmer abgingen.Eins war die Küche. Die einzige Tür, die offen stand. Hofffmann nahm mir die Jacke ab und rief sehr laut zwei Wörter, die ich nicht verstanden habe. Ich habe mich erschrocken, weil das so unvermittelt kam, dass ich dachte, er habe sich weh getan. Stattdessen schlich ein warmes Grinsen über sein Gesicht, eine Tür, hinten links, öffnete sich. Ein stämmiger, schwarzhaariger Typ, der mit seinen schulterlangen Haaren aussah wie ein Indianer, kam auf uns zu. Darf ich vorstellen, das ist Valon. Hinter dem Indianer tauchte ein uralter Schäferhund auf. Er schleppte sich mühsam ein Stück über die Holzdielen und fiel kurz vor Hofffmanns Füßen hin wie ein nasser Sack. Eine übel riechende Gaswolke entwich seinem sabbernden Maul.
    So einen Schäferhund hatte der Vater sich auch zugelegt. Kurz nachdem die ganze Bande (der Onkel, Roswitha, Hans und Franz) wieder verschwunden und die Mutter ebenfalls ausgezogen war, weil sie ohne mich nicht mehr wollte. Der Schulfreund, mit dem ich die Winterreise nach N. unternommen hatte, rief mich eines Tages in Wien an. Ich hatte gerade Thomas kennengelernt. Der erste Winter in der großen Stadt war vorüber. Ich war erstaunt, woher er meine Nummer hatte, zumal unser Verhältnis seit seinem Malheur mit dem Hoden nicht das beste war. Er hatte mich später für die unangenehme Wanderschaft verantwortlich gemacht. Jedenfalls erzählte er mir, dass er Zivildienst leiste beim Roten Kreuz und dort im Krankenwagen als Rettungshelfer mitfahre. Und dahätten sie einen Einsatz gehabt in der Nacht. Der Vater sei gestürzt, vor dem Haus, in dem er alleine wohnte, und er habe im Vorgarten gelegen mit einem offenen Schienbeinbruch, ohne Bewusstsein, volltrunken, und sein Schäferhund habe ihn verteidigen wollen. Er habe gebellt, geknurrt. Es sei unmöglich gewesen, an den Vater ranzukommen. Sie hätten die Polizei gerufen und die Polizei hätte den Hund erschossen, weil man nicht gewusst habe, wie ernst es war mit dem Vater. Es tue ihm leid, aber er habe die Erschießung nicht verhindern können. Ihr habt den Falschen erwischt, habe ich ihn unterbrochen. Er war still. Ich war still. Und dann habe ich aufgelegt. Ich habe meine Scham mit Brutalität überspielt. Thomas war begeistert, als ich ihm von der Szene berichtete. Du machst Fortschritte, sagte er.
    Warum heißt der Hund RICO?, habe ich Hofffmann am Abend gefragt. Weil er der übrig gebliebene Weggefährte eines Spitzels sei, den Hofffmann kurz vor dessen Tod besucht habe, um herauszufinden, warum jener seine Fotografiererei nicht mochte. Das sei nur ein Hobby, hatte der Spitzel als Fazit in

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