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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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Hand entgegen. Ich bin hier der Zuständige für große Gesten, große Worte und große Lösungen. Er zwinkerte der Kellnerin auf unerwartet sympathische Weise zu. Zuerst wirkte sein Auftritt wie der eines Wichtigtuers, eines Nichtskönners, eines ergrau ten Provinzgigolos. Hofffmann mit drei f, wenn ich bitten darf. Das erste f steht für das vergangene Leben, das dritte fsteht für das zukünftige Leben und das f mittendrin, na ja, das steht für das, was wir gerade erleben. Sie und ich. Hier in dieser Stadt. Ich darf Sie herzlich willkommenheißen. Das Taxi am Bahnhof gehört übrigens mir. Er drehte sich um und verließ das Lokal. Der kommt zurück, sagte die Kellnerin, inzwischen ganz entspannt. Ihr drittes Gesicht. Sie verriet mir, dass Hofffmann alles wisse, jeden kenne und dass es normal sei, wenn er zwischendurch einfach so verschwinde. Da müsse man sich keine Sorgen machen. Er sei jeden Tag da. Immer zur gleichen Zeit. Ich mag ihn, sagte sie ungeahnt zärtlich. Warum sie das so komisch sage,
ich
mag ihn. Die
Anderen
etwa nicht? Die Anderen gehen mich nichts an, erwiderte sie abwehrend. Außerdem müsse sie jetzt auf den Markt, frische Zitronen besorgen, ob ich für einen Augenblick das Lokal hüten könne. Klar, sagte ich, gehen Sie nur, ich pass auf. Das Unwetter hatte sich wieder verzogen. Die Sonnenstrahlen funkelten auf dem nassen Kopfstein.
    Jetzt hocke ich schon den zweiten Tag in dieser Pension in Wien und schreibe Dir. Eben bin ich draußen gewesen. Auf der Mariahilfer Straße. Ein paar Einkäufe. Obst. Wasser. Drogeriemarkt. Apotheke. Mir ist andauernd schlecht. Mein Kreislauf ist im Keller. Gigantische Augen ringe. Nicht weit von hier habe ich während meines Schauspielstudiums gewohnt. Turmburggasse.
Mariahilf
heißt der Stadtteil. Ich war nicht mehr hier, seit ich nach München gezogen bin. Hier sind die Theater den Sommer über geschlossen,wie in München. Zum Glück. Wenn ich die Pension verlasse, ziehe ich eine Mütze an. Und Sonnenbrille. Ich will niemanden treffen. Ich habe das Gefühl, da draußen laufen alle rum, meine alten Lehrer, die Frauen aus der WG. Ich will niemandem begegnen. Ich denke an Thomas. An die Mutter. An die Federkernmatratze. An diese junge Frau, die ich war. An Holger. An Hofffmann. Ich bin in einen Spuk geraten.
    Hofffmann war wirklich zurückgekommen. Eine halbe Stunde später stand er grinsend vor mir. Er hatte etwas von einem kleinen Jungen. Man konnte nicht sagen, wie alt Hofffmann war. Manchmal wirkte er steinalt. Manchmal jugendlich. Das hing davon ab, in welchem Licht man ihn betrachtete. Die Kleidung war immer gleich. Jeans und Schimanskijacke. Das ist so eine Art Feldjacke, wie sie auch Eure Soldaten tragen. Die heißt so, weil es im deutschen Fernsehen einen Kommissar gab, der dieses Ding trug. Der Vater mochte diese Krimis. Der raubeinige Ermittler war immer auf der Seite der Strauchelnden. Das imponierte dem Vater.
    Ich begann mit Hofffmann eine Unterhaltung, die bis zum vorletzten Tag meiner Abreise aus N. nicht mehr aufhören sollte. Wir unterhielten uns über N., seine Geschichte. Hofffmann kannte sich sogar mit Theater aus. Er erklärte mir, warum er jedoch seit Jahren keine Vorstellung mehr besucht hatte. Seine tief sitzende Abneigung gegen die Lüge im Allgemeinen und im Besonderenhabe es ihm mit der Zeit unmöglich gemacht, gewöhnlichen Schauspielern bei der Arbeit zuzusehen. Ich versuchte, sein Urteil auf mangelnde Kenntnis zu schieben, aber er verblüffte mich durch Detailwissen und klare Einschätzungen. Er war auf der Höhe der Zeit, er kannte sämtliche Namen von Regisseuren, Intendanten, Schauspielern. Er wusste, dass das Theater seit geraumer Zeit an Glaubwürdigkeitsverlust leidet, dass überall Laien auf der Bühne standen, dass es heftige Debatten gab, und er, Hofffmann, hatte eine klare, differenzierte Meinung dazu. Seine Kenntnisse waren so weitreichend, dass ich mit ihm über Kollegen reden konnte, mit denen ich in München gearbeitet habe. Woher er das alles wisse. Ich liebe das Internet, sagte Hofffmann, der Halter des verwaisten Taxis, der alterslose Weise, und klatschte drei Mal in die Hände. Er teilte mir mit, wo ich wohnen könne, ein Hotel ganz in der Nähe, er habe mir gleich angesehen, dass ich in einer besonderen Mission unterwegs sei. Hofffmanns plötzliche Anwesenheit hatte von der ersten Minute an eine solche Selbstverständlichkeit für mich, dass ich das Gefühl hatte, ihn schon immer zu kennen. Wie die Begegnung mit

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