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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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nach wochenlanger Überfahrt an Land ging, hörte sie, dass der Gouverneur von Neubraunschweig eine Küchenhilfe sucht. Sie war eine von vierzig Bewerberinnen. Er ließ jede von ihnen Zwiebeln dünsten, eine nach der anderen. Meine Urgroßmutter hat er genommen.«
    Lambert zeigte mit dem Finger auf sie: »Du kommst aus Irland.«
    Â»Wenn das alles ist, was dich an der Geschichte interessiert – ja.« Fe legte ihren Hähnchenschenkel auf den Teller zurück. »Zumindest indirekt.«
    Â»Ich war gerade dort. Wir hätten uns fast noch getroffen.«
    Endlich erschien der Kellner zum Abräumen. In die Mitte des leeren Tisches stellte er ein Schälchen Glückskekse. Felicitas machte eine einladende Handbewegung und bückte sich dann nach ihrer Handtasche. Lambert mochte, wie ihr die Locken ins Gesicht fielen, wenn sie den Kopf senkte. Er nahm einen Keks und brach ihn auf. Das weiße Zettelchen leuchtete hervor wie der unreife Kern einer Walnuss, den zuvor noch kein menschliches Auge gesehen hatte. Lambert biss in den Keks, das Glück schien schon etwas älter zu sein. Dann rollte er den Zettel auf. Es ist leichter, am Anfang zu widerstehen als am Ende. Lambert sah sich um, Fe wühlte noch immer in ihrer Handtasche. Seine Kollegen waren in eine Diskussion über die Höhe ihrer Gagen vertieft. Lambert faltete den Papierstreifen zusammen und steckte ihn in den Mund. Er schmeckte kaum anders als der Keks.
    Lamberts Glas war leer, also griff er nach der Flasche und füllte es auf. Beim Zurückstellen nahm er rasch einen zweiten Keks. Diesmal ver s p rach der Zettel: Nichts zu begehren, das ist der Weg.
    Mit einem Schluck Sake fiel das Schlucken deutlich leichter. Felicitas hatte noch immer nicht gefunden, was sie suchte, und Lambert ja auch nicht, also unternahm er einen dritten Versuch. Der fliegende Vogel vergisst nicht das Land. Es wurde nicht besser. Er wischte sich die Krümel aus dem Mundwinkel und probierte es gleich noch einmal. Wird Zeit, dass ich aus diesem Keks rauskomme. Sehr komisch.
    Fe richtete sich auf, triumphierend hielt sie eine Zigarettenschachtel in die Höhe und fragte ihn, ob er mit auf die Straße komme.
    Beim Aufstehen schnappte sich Lambert den letzten Keks aus der Schale. Stanko sah fragend zu ihm hoch, sagte aber nichts. Lambert folgte Fe zum Ausgang, die beiden Kekshälften ließ er im Topf einer Hydrokultur verschwinden. Auf dem Zettel stand: Keine Schneeflocke fällt auf die falsche Stelle. Draußen war es noch immer warm, die Luft stand vollkommen still. Fe steckte ihm eine Zigarette zwischen die Lippen. Als sie ihm Feuer gegeben hatte, fragte sie, welches Schicksal ihm denn bevorstehe. Er hielt ihr den Zettel vors Gesicht. Sie lachte, holte noch einmal das Feuerzeug hervor und zündete den Papierstreifen an. Glimmend flog er hinauf in die Nacht.
    Die Leuchtschrift des Little Sheep färbte den Himmel rot. Manchmal wehte der Rauch ihrer Zigaretten darunter vorbei. Der Mond war aufgegangen. Wenn sie ihn sehen konnten, waren dann nicht auch sie selbst von dort oben zu sehen? Wer etwas erkennen will, muss sich selbst zu erkennen geben. Vielleicht sollte er Glückskeksdichter werden.
    Sie standen unter alldem – dem roten Himmel, dem Mond, der Leuchtschrift, den frei umherfliegenden Gedanken – und sahen vor sich hin. Lambert war kein guter Raucher. Manchmal wünschte er sich, süchtig zu sein, wonach auch immer.
    Wieder dieses seltsame Gefühl, Fe schon lange zu kennen. Angestrengt überlegte er, in welchem früheren Leben er ihr begegnet sein mochte, aber er konnte sich an keines erinnern.
    Vor dem Restaurant parkte ein alter schwarzer Plymouth, mit Chromfelgen und langer Antenne am Kofferraum. Ein Straßenkreuzer wie die, von denen Lambert als Kind geträumt hatte. Er hatte längst aufgehört, sich zu fragen, wie s pät es bei ihm zu Hause war. Er durfte nicht vergessen, nachher Andrea mitzuteilen, dass er gut angekommen sei.
    Â»Also, was willst du von mir wissen?«
    Fe zog an ihrer Zigarette. »Woher kommst du? Wohin gehst du? Was geschieht in der Zwischenzeit?«
    Â»Viele Fragen.«
    Ãœber den Bürgersteig kam ein Mann mit Cowboyhut geschlendert, die grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Als er auf ihrer Höhe war, blieb er stehen und fragte murmelnd, ob sie ihm mit einer Zigarette aushelfen könnten.
    Fe hielt ihm die Schachtel hin, und nachdem auch er sich hatte

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