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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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prächtiger Statuen zeigt – rothaarig gewesen sei. Evelyn, ein Mezzosopran aus Minnesota, mit betörendem Gesang. Von Evelyn habe er zum ersten Mal die berühmte Geschichte von den englischen Mädchen gehört.
    Â»Welche Geschichte?«, fragte Fe.
    Stanko sah sich um. »Ist nicht bekannt?« Niemand reagierte. »Vielleicht verschweigt man sie euch. Während des Krieges wurden in England amerikanische Soldaten stationiert. Die wunderten sich, wie draufgängerisch die englischen Mädchen waren. Die wiederum waren verblüfft, wie zielstrebig die Soldaten zur Sache gingen.«
    Â»Wie das?«, fragte der Franzose mit den Seiltricks. Er li s pelte, vielleicht vor Müdigkeit.
    Â»Nachdem sie miteinander ausgegangen waren, gaben die Soldaten den Mädchen zum Abschied einen Kuss, was in Amerika kein Zeichen außergewöhnlicher Zuneigung ist. In England war es eine so intime Geste, dass sie als Aufforderung verstanden wurde. Zu ihrer Überraschung fanden die Soldaten sich auf einmal in den Betten der Mädchen wieder.«
    Â»Schöne Geschichte«, sagte Kathy.
    Â»Warum hast du sie erzählt?«, fragte Fe.
    Â»Ihr habt danach gefragt. Mir ging es eigentlich um Evelyn. Sie hatte etwas, das ich bei keiner anderen Frau wiedergefunden habe. Wenn ihr heiß war, schwitzte sie auf der Nase. Nirgendwo sonst, nur diese kleinen Perlen auf dem Nasenrücken. Ist das eine nordamerikanische Sache? Seid ihr auch so?«
    Kathy und Fe sahen sich an. Dann schüttelten sie den Kopf. Fe legte Stanko die Hand auf den Arm: »Vermisst du sie sehr?«
    Lambert versuchte, die peinliche Stille zu übertönen, indem er erklärte, ebenfalls eine Geschichte aus Slowenien zu kennen. Ende der Achtziger sei er nach Ungarn getrampt, als sie die Grenze nach Österreich gerade für die Flüchtlinge aus der DDR geöffnet hatten. Auf dem Rückweg von Budapest nahm ihn ein Mann aus Ostberlin mit. Sie fuhren auf der Autobahn nach Westen, stundenlang. Die ganze Zeit habe der Mann überlegt, ob er am Ende geradeaus in ein neues Leben fahren oder wie geplant nach Bratislava abbiegen solle, auf den Weg nach Hause. Er habe geschwitzt wie ein Schwein.
    Â»Auf der Nase?«, fragte Stanko.
    Â»Schweine schwitzen nicht«, sagte Fe.
    Â»Er wusste es bis zuletzt nicht. Am Ende hat er mitten auf dem Autobahnkreuz gebremst und mich rausgelassen. Auf einmal war er in Eile. Als ich schon auf der Straße stand, hat er noch einmal die Scheibe heruntergekurbelt und mir eine kleine Visitenkarte herausgereicht. Ich möge so gut sein und ihm die neue Bravo schicken.«
    Â»Und, hast du?«
    Â»Zwei Wochen s päter war die Mauer offen. Da dachte ich, er holt sie sich selbst.«
    Stanko wies höflich darauf hin, dass Bratislava die Hauptstadt der Slowakei sei, mit Slowenien habe das nichts zu tun. Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und forderte alle auf, es ihm gleichzutun. Der Sake war inzwischen lauwarm.
    Â»Auf das unbekannte Slowenien! Wenn ihr etwas darüber wissen wollt, müsst ihr mich fragen. Ich erzähle gern.« Ob sie wüssten, dass sein Land eine Bronzemedaille im Fremdgehen habe.
    Â»Wie bitte?«, fragte Kathy.
    Â»Sie haben Menschen auf der ganzen Welt nach der Zahl ihrer Sexualpartner gefragt, nach Affären und Seiten s prüngen. Slowenien kam auf Platz drei.«
    Â»Hinter wem?«, fragte Kathy.
    Â»Der zweite Platz ging an Neuseeland. Sieger waren ausgerechnet die Finnen.«
    Â»Warum ›ausgerechnet‹?«, fragte Uurtu, ein Illusionist aus Helsinki.
    Â»Ist das eine Einladung?«, fragte Fe.
    Â»Auf welchem Platz stand Kanada?«, fragte Kathy.
    Stanko hob entschuldigend die Hand. Dann sagte er: »Noch jemand Sake?«
    Niemand reagierte. Er bestellte trotzdem eine weitere Runde.
    Lambert hätte sich gut vorstellen können, anderswo zu sein, in einem deutlich kleineren Kreis. Aber Fe machte keine Anstalten aufzubrechen, und er selbst wollte die Initiative nicht ergreifen. Immerhin schien sie sich inzwischen einigermaßen zu amüsieren. Nachdem der Finne einen Polarkreiswitz erzählte hatte, beugte Fe sich in das Gelächter hinein und fragte: »Seid ihr eigentlich immer so? Oder nur nach Auftritten?« Weiter anhaltendes Lachen. Dann allgemeines Schweigen. Fe fuhr fort: »Ich frage mich, wie es euch geht, wenn ihr von der Bühne kommt.«
    Sie schauten einander an. Stanko zuckte mit den Schultern. Auch Lambert

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