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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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Als sie mit den Pferden fertig war, bückte sie sich, um ihre blutverklumpten Haare zu waschen, aber es schmerzte wohl zu sehr. Also wischte sie sich die Strähne aus der Stirn, klopfte den Tieren Hals und Flanken und redete weiter beruhigend auf sie ein.
    Es war ein friedliches Bild, wie aus der Zeit der ersten Siedler. Auf einmal wäre Lambert gern ein Ureinwohner gewesen, der mit nichts als einer friedlich erhobenen Hand auf sie zuging, zum Zeichen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Was aber führte er denn im Schilde?
    Lambert wusste es nicht. Seit diesem Morgen, seitdem er nach der gemeinsamen Nacht aufgewacht war und sich zu seinem Erstaunen allein im Bett befunden hatte, war er Fe einfach hinterhergelaufen, besinnungslos und ohne zu überlegen, was er von ihr wollte. Er wollte, wenn er darüber nachdachte, herausfinden, warum sie ihn ohne ein Wort verlassen hatte. Er wollte seine Sachen zurück, und er wollte wissen, was das war mit ihnen, weshalb er sie einfach nicht aus dem Kopf bekam und warum er das, ihrer wortlosen Flucht zum Trotz, auch gar nicht wünschte. Er hatte keine Ahnung, ob sie ihm eine Antwort darauf geben konnte.
    Lambert trat aus dem Schatten der Bäume, der Bach war laut genug, um seine Schritte zu überdecken. Die Wellen blinkten wie ein falsches Ver s prechen, wie falsche Edelsteine oder das billige Glitterkostüm einer zersägten Jungfrau. Lambert schlüpfte zurück in die Uniformjacke und setzte dann vorsichtig einen Fuß ins Wasser. Es war beißend kalt.
    Vielleicht waren die Strandsandalen doch keine so schlechte Lösung, immerhin gaben sie ihm auf den glatten Steinen einigermaßen Halt. Wann immer Lambert seine Arme nicht brauchte, um rudernd Balance zu finden, versuchte er, mit den Händen die Hosenbeine so gut wie möglich aus dem Wasser zu halten.
    Erst als er es bis zur Hälfte des Baches geschafft hatte, wo an eine unbemerkte Umkehr nicht mehr zu denken war, hob eines der Pferde langsam den Kopf. Das zweite folgte, sie sahen ihn an, als würde er über das Wasser laufen und nicht hindurch.
    Dann schien auch Fe zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Schützend hob sie die Hand gegen das Sonnenlicht und sah zu ihm herüber, der kaum zehn Meter entfernt mitten in der Strömung stand, in seiner lächerlichen Uniform. Allmählich nur ließ sie die Hand wieder sinken, dann drehte sie sich um, und erst jetzt erkannte Lambert, dass sie nicht alleine war.
    In ihrem Schatten lehnte, halb von ihr verdeckt, ein Mann an einem Stein. Er schien zu schlafen. Ganz langsam drehte Fe sich wieder zurück zum Fluss und starrte mit offenem Mund auf Lambert.
    Einmal schon hatte Lambert sich Fe auf unerklärliche Weise nahe gefühlt, es war kaum einen halben Tag her. Aber ihre damalige Nähe war bei Weitem nicht so verblüffend gewesen wie die jetzige Übereinstimmung – als auch Lambert endlich sah, was sie entsetzte.
    Der Mann, der hinter Fe an dem Stein lehnte und mit offenem Mund schlief, war niemand anders als er selbst.

29
    So verharrten sie einen Moment, allen dreien stand jetzt der Mund offen. Was zu hören war: das Rauschen des Bachs, das Pochen in Lamberts Ohr, irgendwo in der Ferne ein Flugzeug und das leise Schnarchen dieses anderen Mannes. Fe schloss ihren Mund als Erste, und Lambert war noch immer so perplex, dass er es ihr einfach nachmachte. Er rieb sich die Augen. Wenn das, was er hier sah, wirklich zutraf, musste er einige Annahmen über die Welt gründlich überdenken. Und wenn es sich herum s prach, konnten er und seine Zaubererkollegen einpacken mit ihren Kindertricks.
    Der andere Mann schloss seinen Mund erst, als Fe ihn mit dem Fuß anstieß, um ihn zu wecken. Er gähnte, stand auf, rekelte sich und blinzelte dann zu Lambert herüber.
    Â»Na, gefunden?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ob du uns gefunden hast.«
    Â»Ich könnte nicht behaupten, dich gesucht zu haben. Offen gestanden weiß ich nicht mal, wer du bist.«
    Â»Das könntest du ebenso gut dich selbst fragen.«
    Â»Ich weiß, wer ich bin.«
    Â»Nämlich?«
    Â»Ich heiße Lambert.«
    Â»Guter Name.«
    Â»Und du?«
    Â»Ich auch.«
    Â»Sehr komisch.«
    Â»Der Name? Das sagen manche.«
    Â»Nein, alles andere. Du, ich, das Ganze hier.«
    Â»Hör mal zu, Lambert. Wenn wir beide eines nicht müssen, dann herumreden. Ich weiß, was du denkst, und du weißt, was ich denke.

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