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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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»Tschau!«
     
     

52
    Nero freute sich, dass Sigrun ihn besuchen kam. Er mochte sie eigentlich gern und fühlte sich oft mit ihr solidarisch. In anderer Weise als Nero war sie ein Outlaw in ihrer Umgebung. Das Klischee, dass Frauen mehr schuften mussten als Männer, um dieselbe Anerkennung zu bekommen, traf bei Sigrun voll und ganz zu. Woncka hielt nichts von Frauen im Amt. Er machte nicht einmal einen Hehl aus seiner Abneigung.
    Sie berichtete von den Fortschritten in den Ermittlungen und rückte schließlich mit der Bombe heraus:
    »Woncka hat Freiflug beurlaubt.«
    Nero erwartete, dass sein Herz einen Satz machte vor Schreck, aber nichts geschah. Er spürte nur, wie ihm die Wärme ins Gesicht stieg, während Sigrun von der Pressekonferenz berichtete.
    »Markus hat unterstellt, ein Insider hätte …?«
    »Genau. Und Woncka will das unter dem Deckel halten.«
    Die Anschuldigung war ungeheuerlich.
    »Seine Beweise sind flöten gegangen.«
    »Aber er muss sie doch irgendwo gesichert haben!«
    »Wahrscheinlich hängt er auf der Bowlingbahn rum und lässt sich volllaufen.«
    Genau das war nicht Freiflugs Stil.
    »Mach du dir keine Gedanken darüber«, sagte Sigrun nun. Sie klang fast mütterlich. Ihre Ohrhänger baumelten und verhedderten sich in den Haarsträhnen. Die scharfen Kerben um ihre Augen schienen tiefer, als Nero in Erinnerung hatte. So sehen wir alle aus, dachte er. Und zusätzlich, ganz unerwartet, durchströmte ihn das Gefühl, dass dies alles mit ihm nichts mehr zu tun hatte. Nicht jetzt. Er saß, ein Sweatshirt über dem Pyjama, in dem Korbsessel in der Besucherecke und fühlte sich überraschend gut.
    »Ihr könnt die Arbeit unmöglich zu dritt schaffen«, sagte er. »Du, Kröger und Roderick.«
    »Wir kriegen Zuwachs. Das Team wird aufgestockt.«
    »Klar.« Nero nickte versonnen. Alle waren ersetzbar. Niemand mehr eine Persönlichkeit. Jeder ein Betriebsmittel, einer, der es halt machte, damit es jemand machte.
    »Ich habe jetzt nur noch Machos um mich«, fuhr Sigrun fort. »Woncka kriegt Schweißausbrüche vor lauter Testosteron, sobald er in seinen Mustang steigt, und Roderick hatte neulich auch die Karte eines Swingerclubs auf seinem Schreibtisch.«
    Nero dachte an das Gespräch mit der Psychologin, das er heute Morgen hatte führen müssen. Man hatte ihn dazu gedrängt. Gesprächstherapie würde ihn in der Reha ohnehin erwarten. Besser er gewöhnte sich schon mal daran. ›Weshalb zwingen Sie sich, unerträgliche Situationen auszuhalten? Bedanken Sie sich und gehen Sie einfach‹, hatte die Psychologin gesagt.
    Nero stand auf. »Danke für deinen Besuch, Sigrun.«
    Sie sah enttäuscht aus. Kea hatte recht: Sie wollte immer noch etwas mit ihm anfangen.
     
     

53
    Es war bereits dunkel, als wir endlich in meiner Klause saßen und über unsere Ermittlungsergebnisse sprachen. Mossbach hatte sich schon verabschiedet. Ich hatte kein gutes Gefühl, dass er soviel Einblick bekommen hatte, denn bei meinen Exkollegen von der Journaille wusste man nie. Immerhin hatte seine Anwesenheit Freiflug auf Trab gehalten. Der LKA-Kumpel kümmerte sich gerade um seinen liegen gebliebenen Wagen. Mir war ein Frauenteam sowieso lieber. Keine Typen, die komplizierte Erwartungen in den Raum stellten und ihre Tassen nicht abspülten. Normalerweise konnte ich mit Männern besser als mit Frauen. Hatte ich zumindest immer gedacht. Aber Juliane, Cyn und ich waren ein Dreamteam. Keine nervte, jede wusste, wo sie stand und was sie zu tun hatte.
    Ich warf gerade die Mikrowelle an, als Cyn in meinem Arbeitszimmer laut aufschrie. »Ich habe ihn! Ich habe ihn!«
    Ich drückte auf ›Stopp‹ und rannte zu ihr. »Und?«
    »Ich habe rekinom.« Atemlos deutete Cyn auf meinen Laptop. »Er treibt sich gerade auf deinem Rechner herum. Wenn er lange genug bleibt, kriege ich ihn.«
    »Ich denke, du hast ihn!« Es ging mir auf den Wecker, wenn die Leute sich nicht klar ausdrückten.
    »Ich habe ein Programm geschrieben, das ihn beschattet. Das dauert aber ein bisschen. Muss eine Reihe von Programmzeilen lesen, bis es die Verfolgung aufnehmen kann.«
    »Böhmische Dörfer«, sagte Juliane. »Mach dir nichts draus, Kea. Ich verstehe es auch nicht. Gibt’s jetzt bald was zu essen? Mein Magen hängt auf halb acht.«
    Als keiner reagierte, ging sie selbst in die Küche. Ich hörte das Piepen, als sie die Tasten der Mikrowelle betätigte. Mir fiel ein, dass ich heute nicht bei Nero gewesen war. Nicht einmal gedanklich. Und angerufen hatte ich

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