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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Krümel
Tabak von der Zunge. Er schnipst ihn gegen die Wand, wo er kleben bleibt.
    »Na ja, das reicht nicht«, sage ich. »Er verfolgt sie. Er brüllt sie
an. Er schreit draußen vor ihrem Fenster herum. Sie hat Angst vor ihm. Es
reicht nicht, dass Earl ihm nachläuft und ihn wegzerrt, wenn er die Kontrolle
verliert. Würden Sie an ihrer Stelle zu ihm zurückkehren?«
    Onkel Al starrt mich an. Ich merke plötzlich, dass ich laut geworden
bin.
    »Es tut mir leid«, fahre ich fort. »Ich rede mit ihr. Ich schwöre,
wenn Sie ihn nur dazu bekommen, sie noch ein paar Tage in Ruhe zu lassen …«
    »Nein«, sagt er ruhig. »Jetzt machen wir es auf meine Art.«
    »Was?«
    »Ich sagte, wir machen es auf meine Art. Du kannst gehen.« Er wedelt
mit der Hand Richtung Tür. »Geh.«
    Ich starre ihn dümmlich blinzelnd an. »Was soll das heißen, auf Ihre
Art?«
    Bevor ich mich versehe, schließen sich Earls Arme um mich wie ein
Stahlseil. Er hebt mich vom Stuhl hoch und trägt mich zur Tür. »Was soll das
heißen, Al?«, schreie ich über Earls Schulter. »Ich will wissen, was Sie damit
meinen! Was haben Sie vor?«
    Earl behandelt mich deutlich sanfter, nachdem er die Tür geschlossen
hat. Als er mich schließlich auf dem Schotter absetzt, streicht er meine Jacke
glatt.
    »Tut mir leid, Kumpel«, sagt er. »Ich hab’s wirklich versucht.«
    »Earl!«
    Er bleibt stehen und dreht sich mit grimmigem Gesicht zu mir um.
    »Was will er machen?«
    Er sieht mich an, sagt aber nichts.
    »Earl, bitte. Ich flehe dich an. Was hat er vor?«
    »Tut mir leid, Jacob«, sagt er. Dann steigt er wieder in den Zug.
    Es ist viertel vor sieben, fünfzehn Minuten bis zur Show. Die
Besucher schlendern durch die Menagerie, wo sie sich auf dem Weg ins Chapiteau
die Tiere ansehen. Ich stehe neben Rosie und gebe Acht, während sie
Süßigkeiten, Kaugummi und sogar Limonade annimmt. Aus dem Augenwinkel sehe ich
einen großen Mann näher kommen. Es ist Diamond Joe.
    »Du musst hier raus«, sagt er und steigt über das Seil.
    »Wieso? Was ist los?«
    »August ist auf dem Weg hierher. Der Elefant tritt heute Abend auf.«
    »Was? Etwa mit Marlena?«
    »Ja. Und er will dich nich sehen. Er hat mal wieder ’ne Stinklaune.
Also geh lieber.«
    Ich blicke mich nach Marlena um. Sie unterhält sich vor ihren
Pferden mit einer fünfköpfigen Familie. Sie schaut zu mir herüber, und als sie
meinen Gesichtsausdruck sieht, wirft sie mir immer wieder kurze Blicke zu.
    Ich gebe Diamond Joe den Stock mit der silbernen Spitze, der neuerdings
als Elefantenhaken dient, und steige über das Seil. Links von mir sehe ich
Augusts Zylinder näher kommen, deshalb gehe ich nach rechts, an den Zebras
vorbei. Neben Marlena bleibe ich stehen.
    »Weißt du, dass du heute mit Rosie auftreten sollst?«, frage ich.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagt sie lächelnd zu der Familie, die vor
ihr steht. Sie beugt sich nah zu mir. »Ja. Onkel Al hat mich zu sich gerufen.
Er hat gesagt, die Show stünde kurz vor dem Ruin.«
    »Kannst du das denn? Ich meine, in deinem … ähm …«
    »Es geht mir gut. Ich muss ja nichts Anstrengendes machen.«
    »Und wenn du runterfällst?«
    »Das werde ich nicht. Außerdem habe ich keine Wahl. Onkel Al hat
gesagt – ach verdammt, da kommt August. Geh jetzt lieber.«
    »Ich will nicht gehen.«
    »Ich schaffe das schon. Er wird nichts unternehmen, solange Gadjos
in der Nähe sind. Du musst verschwinden. Bitte.«
    Ich blicke mich um. August kommt auf uns zu, er starrt uns mit
gesenktem Kopf an wie ein rasender Stier.
    »Bitte«, fleht Marlena.
    Ich marschiere entlang der Pferdebahn durch das Chapiteau bis zum
Hintereingang. Dort bleibe ich stehen und schlüpfe unter das Gradin.
    Ich schaue mir zwischen den Arbeitsstiefeln eines Mannes hindurch
die Parade an. Nach etwa der Hälfte merke ich, dass ich nicht alleine bin. Ein
uralter Racklo blickt auch durch das Gradin, aber in eine andere Richtung. Er
sieht einer Frau unter den Rock.
    »He!«, rufe ich. »He, lass das!«
    Die Menge brüllt begeistert, als etwas Riesiges, Graues den Rand des
Gradins passiert. Es ist Rosie. Ich drehe mich wieder nach dem Racklo um. Er
hält sich auf Zehenspitzen an einer Brettkante fest und schielt nach oben.
Dabei leckt er sich die Lippen.
    Das ist zu viel. Ich habe mir wirklich Schlimmes zuschulden kommen
lassen, und dafür wird meine Seele in der Hölle schmoren, aber den Gedanken,
dass eine wahllos ausgesuchte Frau auf diese Art missbraucht wird, kann ich
nicht ertragen, und so

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