Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
Ziel haben? Wir bekommen ein Kind. Wir brauchen einen Plan. Ich
brauche einen Job.
Vom städtischen Postamt aus rufe ich Dean Wilkins an. Ich hatte
befürchtet, er wüsste nicht mehr, wer ich bin, aber er klingt erleichtert, von
mir zu hören. Er sagt, er habe sich oft gefragt, wo ich abgeblieben sei und ob
es mir gut gehe, und wo wir gerade dabei seien, was ich denn nun eigentlich in
den letzten dreieinhalb Monaten getrieben hätte.
Ich hole tief Luft, und während ich noch überlege, wie schwer es mir
fallen wird, alles zu erklären, strömen die Worte nur so aus mir heraus. Sie
überschlagen sich, wetteifern um den Vortritt und verheddern sich manchmal so,
dass ich zurückgehen und noch mal anders anfangen muss. Als ich ausgeredet
habe, schweigt Dean Wilkins so lange, dass ich mich schon frage, ob die Leitung
tot ist.
»Dean Wilkins? Sind Sie noch da?«, frage ich. Ich halte die
Hörermuschel vom Ohr ab, um sie mir anzusehen. Ich überlege, sie gegen die Wand
zu schlagen, lasse es aber, weil die Postmeisterin hersieht. Genauer gesagt
starrt sie mich gebannt an, denn sie hat aufmerksam gelauscht. Ich drehe mich
zur Wand und halte die Muschel wieder ans Ohr.
Dean Wilkins räuspert sich, stammelt etwas und sagt dann ja,
natürlich, ich könne gerne wiederkommen und mein Examen ablegen.
Als ich beim Zirkusplatz ankomme, steht Rosie in einiger
Entfernung von der Menagerie neben dem Geschäftsführer von Nesci Brothers, dem
Sheriff und den Eisenbahnbeamten. Ich laufe zu ihnen.
»Was machen Sie da, verdammt noch mal?«, frage ich, als ich neben
Rosie stehen bleibe.
Der Sheriff fragt mich: »Sind Sie der Verantwortliche dieser Show?«
»Nein«, antworte ich.
»Dann geht Sie das nichts an«, meint er.
»Die Elefantenkuh gehört mir. Damit geht es mich wohl etwas an.«
»Dieses Tier ist Eigentum des Zirkus Benzini, und als Sheriff bin
ich befugt, aufgrund von …«
»Einen Teufel ist sie. Sie gehört mir.«
Eine Menschenmenge versammelt sich, die vor allem aus arbeitslos
gewordenen Racklos von Benzini besteht. Der Sheriff und der Bahnbeamte werfen
sich nervöse Blicke zu.
Greg tritt vor, und wir schauen uns an. Dann sagt er zum Sheriff:
»Das stimmt. Sie gehört ihm. Er reist mit dem Elefanten durch die Gegend. Er
war mit uns unterwegs, aber der Elefant gehört ihm.«
»Ich nehme an, Sie können das beweisen.«
Meine Wangen brennen vor Wut. Greg starrt den Sheriff mit offener Feindseligkeit
an. Nach einem Augenblick knirscht er mit den Zähnen.
»Wenn das so ist«, sagt der Sheriff mit einem verkniffenen Lächeln,
»lassen Sie uns bitte in Ruhe unseren Geschäften nachgehen.«
Ich drehe mich blitzschnell zum Geschäftsführer von Nesci Brothers
um, der überrascht die Augen aufreißt.
»Sie wollen sie gar nicht«, sage ich. »Sie ist dumm wie ein Sack
Seife. Ich kann sie zu ein paar Tricks bringen, aber Sie werden bei ihr nichts
erreichen.«
Er hebt die Augenbrauen. »Was?«
»Na los, befehlen Sie ihr was«, fordere ich ihn auf.
Er starrt mich an, als seien mir Hörner gewachsen.
»Ehrlich«, sage ich. »Haben Sie einen Elefantenkutscher hier?
Versuchen Sie mal, sie was machen zu lassen. Sie ist nutzlos und dämlich.«
Er mustert mich noch einen Moment lang. Dann dreht er den Kopf und
brüllt: »Dick! Lass sie mal was machen.«
Ein Mann mit einem Elefantenhaken stellt sich neben uns.
Ich blicke Rosie ins Auge. Bitte, Rosie. Du musst begreifen, was
hier vor sich geht. Bitte!
»Wie heißt sie?«, fragt Dick mich über die Schulter.
»Gertrude.«
Er dreht sich zu Rosie um. »Gertrude, komm her. Komm sofort her.« Er
spricht laut und schneidend.
Rosie schnaubt, dann lässt sie ihren Rüssel hin und her schwingen.
»Gertrude, komm sofort her!«, wiederholt er.
Rosie blinzelt. Sie streift mit dem Rüssel über den Boden, dann
zögert sie. Sie rollt die Spitze ein und schiebt mit dem Fuß Staub darauf. Als
sie ihn hochschleudert, bestreut sie ihren Rücken und alle Umstehenden mit dem
Dreck. Einige in der Menge lachen.
»Gertrude, heb den Fuß«, befiehlt Dick und stellt sich direkt neben
ihre Schulter. Mit dem Elefantenhaken klopft er von hinten gegen ihr Bein. »Heb
hoch!«
Rosie fächert mit den Ohren und beschnüffelt ihn.
»Heb hoch!«, sagt er wieder und klopft fester gegen ihr Bein.
Rosie durchsucht lächelnd seine Taschen. Ihre Füße bleiben fest auf
dem Boden.
Der Elefantenkutscher schiebt ihren Rüssel beiseite, dann wendet er
sich an seinen Boss. »Er hat recht. Sie kann gar
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