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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Also habe ich doch keinen Tag verloren.
    Sie stülpt eine Einwegkappe auf ein Thermometer und steckt es in
mein Ohr. So werde ich jeden Morgen gepiekt und gezwackt, wie ein Stück
Fleisch, das man ganz hinten im Kühlschrank ausgegraben hat und das erst einmal
argwöhnisch beäugt wird.
    Nachdem das Thermometer gepiepst hat, schnippt die Schwester die
Kappe in den Abfalleimer und schreibt etwas in meine Akte. Dann nimmt sie die
Blutdruckmanschette von der Wand.
    »Möchten Sie heute Morgen im Speisesaal frühstücken, oder soll ich
Ihnen etwas bringen?«, fragt sie, während sie die Manschette um meinen Arm legt
und aufpumpt.
    »Ich will kein Frühstück.«
    Sie drückt ein Stethoskop gegen meine Armbeuge und sagt mit Blick
auf die Anzeige: »Aber Mr. Jankowski, Sie müssen bei Kräften bleiben.«
    Ich versuche, ihr Namensschild zu lesen. »Wofür? Um einen Marathon
zu laufen?«
    »Damit Sie sich nichts einfangen und deswegen den Zirkus verpassen«,
antwortet sie. Als die Luft aus der Manschette entwichen ist, nimmt sie mir das
Gerät vom Arm und hängt es zurück an die Wand.
    Endlich! Jetzt kann ich ihren Namen sehen.
    »Dann esse ich hier, Rosemary«, sage ich, um zu beweisen, dass ich
mir ihren Namen gemerkt habe. Stets den Anschein zu erwecken, man hätte noch
alle Tassen im Schrank, ist anstrengend, aber wichtig. Außerdem bin ich gar
nicht richtig verwirrt. Ich muss nur über mehr Dinge die Übersicht behalten als
andere Leute.
    »Ich darf verkünden, dass Sie so gesund sind wie ein Pferd«, sagt
sie und schreibt noch etwas in meine Akte, bevor sie sie zuschlägt. »Ich wette,
wenn Sie nicht zu viel Gewicht verlieren, schaffen Sie noch zehn Jahre.«
    »Na prima«, entgegne ich.
    Als Rosemary zurückkommt, um mich auf den Flur zu schieben,
bitte ich sie, mich zum Fenster zu bringen, damit ich sehen kann, was im Park
vor sich geht.
    Es ist ein wunderbarer Tag, am sonnigen Himmel ziehen Schäfchenwolken.
Wie schön – ich kann mich nur zu gut daran erinnern, wie die Arbeit auf einem
Zirkusgelände bei schlechtem Wetter aussieht. Natürlich ist die Arbeit heute
ganz anders als früher. Ich frage mich, ob die Arbeiter noch immer Racklos
genannt werden. Ganz sicher hat sich die Unterbringung verbessert, da muss man
sich nur die Wohnmobile ansehen. Auf manchen sind sogar Satellitenschüsseln
montiert.
    Kurz nach dem Mittagessen sehe ich, wie der erste Bewohner des
Altenheims von seinen Verwandten die Straße hinaufgeschoben wird. Zehn Minuten
später zieht dort eine regelrechte Karawane entlang. Da ist Ruthie – ach, und
auch Nellie Compton, aber was soll das bringen? Sie ist nur noch Gemüse, sie
wird sich an gar nichts erinnern. Und da ist Doris – dann muss das ihr Randall
sein, von dem sie ständig erzählt. Und da ist auch dieser Mistkerl McGuinty.
Oh, ja, ganz Hahn im Korb, mit einem Plaid über den Knien und seiner Familie,
die um ihn herumscharwenzelt. Sicher verbreitet er wieder Elefantengeschichten.
    Hinter dem Chapiteau steht eine Reihe von prächtigen Percherons,
ohne Ausnahme mit strahlend weißem Fell. Ob sie zu einer Voltigiernummer
gehören? Voltigierpferde sind immer weiß, damit man auf ihrem Rücken das
Kolophonium nicht sieht, mit dem die Artisten ihre Füße rutschsicher machen.
    Selbst wenn sie eine Freiheitsdressur zeigen, könnten sie Marlenas
auf keinen Fall das Wasser reichen. Nichts und niemand ließe sich mit Marlena
vergleichen.
    Gleichermaßen besorgt wie hoffnungsvoll halte ich umsonst nach einem
Elefanten Ausschau.
    Später am Nachmittag kehrt die Karawane heim, mit Ballons an den
Rollstühlen und albernen Hüten auf den Köpfen. Ein paar haben sogar Tüten mit
Zuckerwatte auf dem Schoß – Tüten! So weiß man doch gar nicht, ob das Zeug
nicht eine Woche alt ist. Zu meiner Zeit war es frisch, es wurde in einer
Trommel auf einen Papierkegel gesponnen.
    Um fünf Uhr kommt eine schlanke Schwester mit einem Pferdegesicht
ans Flurende. »Es gibt Abendessen, sind Sie so weit, Mr. Jankowski?«, fragt
sie, tritt die Feststellbremse los und wendet meinen Rollstuhl.
    »Hrrmmpf«, entgegne ich gereizt, weil sie meine Antwort nicht
abgewartet hat.
    Als wir den Speisesaal betreten, steuert sie auf meinen üblichen
Tisch zu.
    »Nein, warten Sie!«, sage ich. »Da möchte ich heute nicht sitzen.«
    »Keine Sorge, Mr. Jankowski. Ich bin sicher, Mr. McGuinty ist Ihnen
wegen gestern Abend nicht mehr böse.«
    »Mag sein, aber ich bin ihm noch böse. Ich will da drüben sitzen«,
sage ich und zeige

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