Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
Rauchringe ausstößt. Die
Hände legt er sich auf den Bauch, mit den Fingern trommelt er gemächlich auf
seine Weste.
    »Hast du schon mal beim Zirkus gearbeitet, Jacob?«
    »Nein, Sir.«
    »Hast du mal eine Vorstellung gesehen, Jacob?«
    »Ja, Sir. Natürlich.«
    »Von wem?«
    »Ringling Brothers«, sage ich. Als ich jemanden scharf Luft holen
höre, drehe ich den Kopf. Earl hat warnend die Augen aufgerissen.
    »Aber die war furchtbar. Absolut furchtbar«, füge ich hastig hinzu,
als ich mich wieder zu Onkel Al umdrehe.
    »Tatsächlich«, sagt Onkel Al.
    »Ja, Sir.«
    »Und hast du unsere Show gesehen, Jacob?«
    »Ja, Sir«, antworte ich und spüre, wie ich erröte.
    »Und wie fandest du sie?«, fragt er.
    »Sie war … spektakulär.«
    »Welche Nummer hat dir am besten gefallen?«
    Hektisch sauge ich mir Details aus den Fingern. »Die mit den
schwarzen und weißen Pferden. Und dem Mädchen in Rosa«, antworte ich. »Mit den
Pailletten.«
    »Hast du gehört, August? Der Kleine mag deine Marlena.«
    Der Mann, der Onkel Al gegenübersitzt, steht auf und dreht sich um –
er ist der Mann aus dem Menageriezelt, jetzt allerdings ohne Zylinder. Sein
markantes Gesicht zeigt keine Regung, sein dunkles Haar glänzt vor Pomade. Auch
er trägt einen Schnurrbart, der jedoch – anders als bei Onkel Al – nicht
breiter ist als die Lippen.
    »Und was genau gedenkst du hier zu tun?«, fragt Onkel Al. Er beugt
sich vor und nimmt sein Kognakglas vom Tisch. Nachdem er den Inhalt
umhergeschwenkt hat, leert er das Glas in einem Zug. Wie aus dem Nichts taucht
ein Kellner auf und schenkt nach.
    »Ich würde so ziemlich alles machen. Aber wenn es geht, möchte ich
mit Tieren arbeiten.«
    »Mit Tieren«, wiederholt er. »Hast du gehört, August? Der Junge will
mit Tieren arbeiten. Du willst den Elefanten wohl Wasser holen, nicht wahr?«
    Earl runzelt die Stirn. »Aber Sir, wir haben keine …«
    »Halt den Mund!«, kreischt Onkel Al und springt auf. Mit dem Ärmel
streift er den Kognakschwenker und wirft ihn hinunter. Während er mit geballten
Fäusten auf das Glas starrt, verfinstert sich seine Miene zunehmend. Dann
bleckt er die Zähne, stößt einen langen, unmenschlichen Schrei aus und stampft
wieder und wieder auf das Glas.
    Die folgende Stille wird nur vom rhythmischen Rattern der Schwellen
unter uns durchbrochen. Dann kniet sich der Kellner hin, um die Scherben
aufzusammeln.
    Onkel Al holt tief Luft, verschränkt die Hände hinter dem Rücken und
dreht sich zum Fenster. Als er sich uns schließlich erneut zuwendet, hat sein
Gesicht wieder einen rosigen Teint. Ein Schmunzeln umspielt seine Lippen.
    »Ich sage dir, wie es aussieht, Jacob Jankowski .«
Er speit meinen Namen aus, als sei er etwas Widerwärtiges. »Leute wie dich habe
ich zu Tausenden gesehen. Glaubst du, du wärst für mich kein offenes Buch? Was
ist es diesmal – hast du dich mit deiner Mutti gezankt? Oder bist du nur auf
ein kleines Abenteuer in den Semesterferien aus?«
    »Nein, Sir, so ist das nicht.«
    »Mir ist verdammt egal, wie es ist – auch wenn ich dir Arbeit bei
der Show gebe, du würdest es nicht durchstehen. Keine Woche lang. Nicht mal
einen Tag. Die Show ist eine gut geölte Maschine, und nur die Härtesten halten
durch. Aber von harter Arbeit haben College-Jungs wie du ohnehin keine Ahnung,
richtig, Kleiner?«
    Er stiert mich herausfordernd an, so als solle ich ja nicht wagen,
etwas zu sagen. »Und jetzt verpiss dich«, sagt er mit einer abweisenden
Handbewegung. »Earl, bring ihn zur Tür. Schmeiß ihn erst raus, wenn du
tatsächlich ein rotes Licht siehst – ich will keinen Ärger bekommen, weil sich Mamis
kleiner Liebling wehgetan hat.«
    »Einen Moment, Al«, sagt August. Deutlich belustigt grinst er.
»Stimmt das? Bist du wirklich am College?«
    Ich fühle mich wie eine Maus, die zwei Katzen sich gegenseitig
zuschubsen. »Ich war am College.«
    »Und was hast du studiert? Etwas Schöngeistiges vielleicht?« Seine
Augen funkeln spöttisch. »Rumänischen Volkstanz? Aristotelische
Literaturkritik? Oder, Mr. Jankowski , haben Sie
vielleicht einen Abschluss als Akkordeonspieler?«
    »Ich habe Veterinärmedizin studiert.«
    Schlagartig ändert sich sein Gesichtsausdruck. »Veterinärmedizin? Du
bist Tierarzt?«
    »Nicht ganz.«
    »Was meinst du mit ›nicht ganz‹?«
    »Ich habe die Abschlussprüfung nicht mitgeschrieben.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hab’s einfach nicht gemacht.«
    »Und diese Prüfung war die nach dem letzten

Weitere Kostenlose Bücher