Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
Studienjahr?«
    »Genau.«
    »An welchem College?«
    »Cornell.«
    August und Onkel Al sehen sich an.
    »Marlena hat erzählt, dass es Silver Star nicht gut geht«, sagt
August. »Ich sollte dem Vorläufer auftragen, einen Tierarzt zu organisieren.
Sie hat offenbar nicht verstanden, dass der Vorläufer vor uns in den Städten
ist, deshalb heißt er ja so.«
    »Worauf willst du hinaus?«, fragt Onkel Al.
    »Der Kleine soll ihn sich morgen früh mal ansehen.«
    »Und wo sollen wir ihn heute Nacht unterbringen? Wir sind jetzt
schon überbelegt.« Er nimmt seine Zigarre vom Aschenbecher und klopft sie am
Rand ab. »Wir könnten ihn wohl einfach auf einen der Flachwagen verfrachten.«
    »Ich dachte eher an den Pferdewagen«, sagt August.
    Onkel Al runzelt die Stirn. »Was? Zu Marlenas Pferden?«
    »Ja.«
    »Du meinst da, wo früher die Ziegen waren? Schläft da nicht dieser
kleine Scheißer … wie heißt er doch gleich?«, überlegt er mit einem
Fingerschnipsen. »Stinko? Kinko? Dieser Clown mit dem Hund?«
    »Ganz genau«, sagt August lächelnd.
    August führt mich zurück durch die Schlafwagen der Männer bis zu
einer kleinen Plattform gegenüber von einem Güterwagen.
    »Bist du schwindelfrei, Jacob?«, fragt er freundlich.
    »Ich glaube schon«, antworte ich.
    »Gut.« Er beugt sich kurzerhand vor, packt etwas an der Seite des
Güterwagens und klettert behände auf das Dach.
    »Gottverdammt«, rufe ich. Panisch blicke ich von der Stelle, an der
August verschwunden ist, zu der Kupplung und den Bahnschwellen, die unter den
Waggons dahinrasen. Der Zug fährt ruckelnd durch eine Kurve. Schwer atmend
strecke ich die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten.
    »Komm schon«, ertönt eine Stimme vom Dach.
    »Verdammt, wie hast du das gemacht? Woran hast du dich
festgehalten?«
    »Da ist eine Leiter. Direkt hinter der Ecke. Lehn dich vor und greif
danach. Du findest sie schon.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann heißt es wohl ›auf Wiedersehen‹, oder?«
    Ich taste mich behutsam bis zur Kante vor und kann gerade den Rand
einer schmalen Eisenleiter erkennen.
    Ich halte sie fest im Blick und wische mir die Hände an den Oberschenkeln
ab. Dann lasse ich mich nach vorne fallen.
    Mit der rechten Hand berühre ich die Leiter. Ich fuchtele wild mit
der linken herum, bis ich die andere Seite zu fassen bekomme. Ich stemme die
Füße auf die Sprossen, klammere mich fest und versuche, wieder Atem zu
schöpfen.
    »Nun komm endlich.«
    Als ich nach oben sehe, grinst August mit wehenden Haaren zu mir
herunter.
    Ich klettere aufs Dach. Er rückt zur Seite, und als ich neben ihm
sitze, legt er mir eine Hand auf die Schulter. »Dreh dich mal um. Ich will dir
etwas zeigen.«
    Er deutet auf den Zug, der sich hinter uns wie eine riesige Schlange
erstreckt; die miteinander verbundenen Waggons neigen sich ruckelnd zur Seite,
als wir durch eine Kurve fahren.
    »Ein schöner Anblick, nicht wahr, Jacob?«, sagt August. Ich werfe
ihm einen Blick zu. Er starrt mich mit blitzenden Augen unumwunden an. »Aber
nicht ganz so schön wie meine Marlena, was?« Er schnalzt mit der Zunge und
zwinkert.
    Bevor ich ihm widersprechen kann, steht er auf und tänzelt das Dach
entlang.
    Ich recke den Hals und zähle die Güterwagen. Es sind mindestens
sechs.
    »August?«
    »Ja?« Er hält mitten in einer Drehung inne.
    »In welchem Wagen ist Kinko?«
    Plötzlich geht er in die Hocke. »In diesem. Noch mal Glück gehabt,
was?« Er stemmt eine Dachluke zur Seite und verschwindet.
    Ich krabble auf allen vieren hinüber.
    »August?«
    »Was denn?«, antwortet eine Stimme aus dem Dunkeln.
    »Steht da eine Leiter?«
    »Nein, einfach loslassen.«
    Ich lasse mich innen herab, bis ich nur noch an den Fingerspitzen
hänge. Als ich auf den Boden krache, begrüßt mich ein überraschtes Wiehern.
    Durch Schlitze in den Wänden des Güterwagens fallen schmale Streifen
Mondlicht. Auf der einen Seite steht eine Reihe von Pferden, auf der anderen
eine offensichtlich selbstgebaute Wand.
    August macht ein paar Schritte und drückt die Tür nach innen auf.
Sie knallt gegen die dahinterliegende Wand und gibt den Blick frei auf einen
provisorischen Raum, der von einer Kerosinlampe erhellt wird. Die Lampe steht
auf einer umgedrehten Lattenkiste neben einer Pritsche. Auf der liegt
bäuchlings ein Zwerg, vor ihm ein aufgeschlagener Wälzer. Er ist etwa in meinem
Alter und hat, ebenso wie ich, rotes Haar. Aber anders als meines steht seines
widerspenstig zu Berge. Sein Gesicht, sein Hals, die

Weitere Kostenlose Bücher