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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Jetzt ist es zu spät, aber sobald wir in Joliet sind, sorge ich dafür,
dass du dein eigenes Wasser bekommst. Artisten und Chefs bekommen jeweils zwei
Eimer; auch mehr, wenn du bereit bist, den Wassermann zu schmieren«, sagt er
und reibt Daumen und Zeigefinger aneinander. »Ich bringe dich auch mit dem
Montagsmann zusammen, damit du andere Kleidung bekommst.«
    »Dem Montagsmann?«
    »Wann hat deine Mutter Waschtag, Jacob?«
    Ich starre ihn an. »Du meinst doch nicht …«
    »Die ganze Wäsche, die da auf den Leinen hängt. Es wäre doch eine
Schande, sie verkommen zu lassen.«
    »Aber …«
    »Nur keine Sorge, Jacob. Wenn du die Antwort nicht hören willst,
frag nicht. Und wasch dich nicht mit diesem Schmodder. Komm mal mit.«
    Er führt mich über den Zirkusplatz zu einem der letzten drei
aufgebauten Zelte. Darin stehen Hunderte Eimer in Zweierreihen vor Truhen und
Kleiderständern, die mit Namen oder Initialen markiert sind. Mehr oder weniger
unbekleidete Männer benutzen sie, um sich zu waschen oder zu rasieren.
    »Hier«, sagt er und deutet auf zwei Eimer. »Nimm die.«
    »Und was ist mit Walter?«, frage ich, als ich den Namen auf einem
der beiden Eimer lese.
    »Ach, ich kenne Walter. Der versteht das. Hast du ein Rasiermesser?«
    »Nein.«
    »Meine sind da hinten«, sagt er und zeigt quer durch das Zelt. »Am
anderen Ende. Mein Name steht darauf. Aber beeil dich – wir dürften in etwa
einer halben Stunde aufbrechen.«
    »Danke«, sage ich.
    »Gern geschehen«, antwortet er. »Ich lege dir ein Hemd in den
Pferdewagen.«
    Als ich beim Pferdewagen ankomme, steht Silver Star vor der
hinteren Wand in knietiefem Stroh. Seine Augen sind glasig, sein Puls rast.
    Die anderen Pferde sind noch draußen, deshalb kann ich mich zum
ersten Mal richtig umsehen. Durch Trennwände, die hinter jedem Pferd einzeln
von der Seite her zugeklappt werden, können sechzehn Boxen entstehen. Wäre der
Wagen nicht für die mysteriösen, verschwundenen Ziegen umgebaut worden, würden
zweiunddreißig Pferde hineinpassen.
    Am Fußende von Kinkos Pritsche liegt ausgebreitet ein sauberes,
weißes Hemd. Mein altes ziehe ich aus und werfe es auf die Pferdedecke in der
Ecke. Bevor ich das neue Hemd überstreife, halte ich es mir unter die Nase und
atme dankbar den Duft von Waschmittel ein.
    Während ich das Hemd zuknöpfe, fällt mein Blick auf Kinkos Bücher.
Sie liegen auf der Kiste neben der Kerosinlampe. Ich stecke mir das Hemd in die
Hose, setze mich auf die Pritsche und greife nach dem obersten Buch.
    Es sind Shakespeares gesammelte Werke. Darunter liegen eine Sammlung
von Wordsworth-Gedichten, eine Bibel und ein Buch mit Stücken von Oscar Wilde.
Im Buchdeckel des Shakespeare-Bandes sind einige kleine Comics versteckt. Ich
erkenne sie sofort. Es sind Achtseiter.
    Einen davon schlage ich auf. Eine plump gezeichnete Olivia Öl liegt,
nackt bis auf ihre Schuhe, mit gespreizten Beinen auf einem Bett. Sie steckt
ihre Finger in sich. In einer Gedankenblase über ihrem Kopf erscheint Popeye mit
einer Erektion, die ihm bis ans Kinn reicht. Wimpy späht mit ebenso enormer
Erektion durchs Fenster.
    »Was zum Teufel soll das?«
    Der Comic fällt mir aus der Hand, und ich bücke mich rasch, um ihn
aufzuheben.
    »Lass deine Finger davon, verdammt!«, sagt Kinko, stürmt auf mich zu
und entreißt ihn mir. »Und mach, dass du von meinem Bett kommst!«
    Ich springe auf.
    »Also, Freundchen«, sagt er und reckt sich, um mir einen Finger
gegen die Brust zu stoßen. »Ich bin nicht gerade begeistert davon, hier mit dir
pennen zu müssen, aber offenbar habe ich dabei nichts zu sagen. Aber das kannst
du mir glauben, dass ich was dazu zu sagen habe, ob du an meine Sachen gehst.«
    Er ist unrasiert, seine blauen Augen funkeln, und sein Gesicht hat
die Farbe von Roter Bete.
    »Du hast recht«, stammle ich. »Tut mir leid. Ich hätte dein Zeug
nicht anrühren dürfen.«
    »Hör zu, du kleiner Pisser. Mir ging’s hier bestens, bis du
aufgekreuzt bist. Und ich hab sowieso schon schlechte Laune. Irgendein
Arschloch hat heute mein Wasser verbraucht, also geh mir lieber aus dem Weg.
Ich bin vielleicht klein, aber glaub nicht, ich würde nicht mit dir fertig.«
    Ich reiße die Augen auf. Ich fange mich wieder, aber nicht schnell
genug.
    Er kneift die Augen zusammen. Er betrachtet mein Hemd und mein
frisch rasiertes Gesicht. Dann schmeißt er den Achtseiter auf seine Pritsche.
»Na toll. Hast du nicht schon genug angerichtet?«
    »Es tut mir leid. Ich schwöre

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