Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
davon.
    »Jacob, warte«, lacht August. Er folgt mir. »Sei nicht sauer. Ich
hab mir nur einen kleinen Scherz erlaubt.«
    »Einen Scherz? Ich hätte den Arm verlieren können!«
    »Er hat doch keine Zähne.«
    Ich bleibe stehen, starre auf den Schotter zu meinen Füßen und lasse
das sacken. Dann gehe ich weiter. Dieses Mal folgt August mir nicht.
    Wutentbrannt gehe ich zum Bach und knie mich neben ein paar Männern
hin, die Zebras tränken. Eines der Zebras scheut, es bellt und reißt das
gestreifte Maul hoch. Der Mann, der die Führleine hält, wirft mir immer wieder
Blicke zu, während er versucht, das Tier unter Kontrolle zu halten.
»Gottverdammt!«, ruft er. »Was ist das? Ist das Blut?«
    Ich sehe an mir herunter. Überall sind Blutspritzer von den
Innereien. »Ja«, antworte ich. »Ich habe die Raubkatzen gefüttert.«
    »Spinnst du? Willst du mich umbringen?«
    Ich gehe stromabwärts, bis das Zebra sich beruhigt. Dann hocke ich
mich neben den Bach, um mir Blut und Löwenspeichel von den Armen zu waschen.
    Später kehre ich zum zweiten Zugabschnitt zurück. Diamond Joe steht
auf einem Flachwagen neben einem Schimpansenkäfig. Seine aufgekrempelten,
grauen Hemdsärmel geben stark behaarte, muskulöse Arme frei. Der Schimpanse
sitzt auf seinem Hintern, frisst händeweise Getreide mit Obst und beobachtet
uns aus glänzenden, schwarzen Augen.
    »Brauchst du Hilfe?«, frage ich.
    »Nein. Bin gleich fertig. Hab gehört, August hat dich mit dem alten
Rex drangekriegt.«
    Ich hebe den Blick und will schon sauer werden. Aber Joe lächelt
nicht.
    »Sieh dich vor«, sagt er. »Rex reißt dir vielleicht nicht den Arm
ab, aber Leo schon. Darauf kannst du wetten. Ich weiß nicht, warum August dich
überhaupt darum gebeten hat. Clive ist der Katzenkutscher. Außer er wollte
etwas klarstellen.« Er hält inne, streckt die Hand in den Käfig und berührt die
Finger des Schimpansen, bevor er die Tür schließt. Dann springt er vom Wagen.
»Hör zu, das sag ich nur einmal. August ist komisch, und ich meine nicht
ha-ha-komisch. Sei lieber vorsichtig. Er mag es nicht, wenn man seine Autorität
in Frage stellt. Und er hat so Momente, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Ich glaube schon.«
    »Wahrscheinlich tust du das nicht. Aber das kommt noch. Hast du
schon was gegessen?«
    »Nein.«
    Er deutet die Schienen entlang auf die Fliegende Vorhut. Neben den
Gleisen stehen Tische. »Die Küchenmannschaft hat so was wie Frühstück gemacht.
Und auch Düppen. Denk dran, dir eines zu nehmen, weil das wohl heißt, dass wir
erst heute Abend wieder anhalten. Man muss zugreifen, solange der Vorrat
reicht, sag ich immer.«
    »Danke, Joe.«
    »Da nicht für.«
    Ich gehe zum Pferdewagen zurück, in der Hand mein Düppen aus
einem Schinkensandwich, einem Apfel und zwei Flaschen Root Beer. Als ich
Marlena neben Silver Star im Stroh sitzen sehe, lege ich das Fresspaket ab und
trete langsam neben sie.
    Silver Star liegt auf der Seite, seine Flanke hebt und senkt sich,
sein Atem geht flach und schnell. Marlena sitzt mit untergeschlagenen Beinen
neben seinem Kopf.
    »Es geht ihm nicht besser, oder?«, fragt sie und blickt zu mir hoch.
    Ich schüttle den Kopf.
    »Ich begreife nicht, wie das so schnell gehen konnte.« Ihre Stimme
ist kaum hörbar und tonlos, und mir wird klar, dass sie wahrscheinlich gleich
weinen wird.
    Ich hocke mich neben sie. »Manchmal ist es einfach so. Aber es liegt
nicht daran, dass Sie etwas falsch gemacht hätten.«
    Sie streichelt seinen Kopf, fährt mit den Fingern über die
eingefallene Wange und um seinen Unterkiefer. Er zuckt mit den Augenlidern.
    »Können wir noch irgendetwas für ihn tun?«, fragt sie.
    »Außer ihn aus dem Zug zu schaffen, nichts. Sogar unter optimalen
Voraussetzungen kann man nicht viel mehr tun als ihnen das Futter zu kürzen und
zu beten.«
    Sie schaut kurz zu mir herüber, dann bleibt ihr Blick an meinem Arm
hängen. »Oh mein Gott. Was ist passiert?«
    Ich sehe zu Boden. »Ach, das. Das ist nichts.«
    »Das stimmt nicht«, sagt sie und kniet sich hin. Sie nimmt meinen
Unterarm in beide Hände und dreht ihn in das Sonnenlicht, das zwischen den
Holzlatten hindurchscheint. »Es sieht frisch aus. Das wird ein ordentlicher
Bluterguss. Tut das weh?« Sie hält meinen Arm mit einer Hand fest und streicht
mit der anderen über den blauen Fleck, der sich unter meiner Haut ausbreitet. Ihre
Handfläche ist kühl und glatt, und meine Härchen richten sich auf.
    Ich schließe die Augen und schlucke schwer.

Weitere Kostenlose Bücher