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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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an.
    Ich laufe ein paar Schritte, um August einzuholen. »Es tut mir
leid«, sage ich und passe mich seinem Tempo an. »Ich wollte niemanden
herumkommandieren.«
    Er bleibt vor dem Kamelwagen stehen und schiebt die Tür zur Seite.
Wir werden vom Grunzen und Klagen der leidgeprüften Dromedare begrüßt.
    »Schon in Ordnung, mein Junge«, erwidert August fröhlich und reicht
mir schwungvoll einen Eimer Fleisch. »Du kannst mir dabei helfen, die Katzen zu
füttern.« Ich packe den dünnen Metallhenkel des Eimers. Eine Wolke aus erbosten
Fliegen steigt daraus auf.
    »Oh mein Gott«, sage ich. Ich stelle den Eimer ab, drehe mich um und
würge. Ich wische mir Tränen aus den Augen, mir kommt noch immer alles hoch.
»August, das können wir nicht verfüttern.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist verdorben.«
    Keine Antwort. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass August mir einen
zweiten Eimer hingestellt hat und losgegangen ist. Mit zwei weiteren Eimern
marschiert er die Gleise entlang. Ich schnappe meine und laufe ihm nach.
    »Es ist verfault. Das können die Katzen doch nicht fressen!«, fahre
ich fort.
    »Es wäre aber besser. Sonst müssen wir ein paar schwere
Entscheidungen fällen.«
    »Was?«
    »Bis Joliet ist es noch weit, und leider haben wir keine Ziegen
mehr.«
    Ich bin zu verdutzt, um antworten zu können.
    Beim zweiten Zugabschnitt angekommen, springt August auf einen
Flachwagen und klappt die Seiten von zwei Raubtierkäfigen auf. Er schließt die
Vorhängeschlösser auf, lässt sie an den Türen hängen und springt herunter auf
den Schotter.
    »Dann mal los«, sagt er und gibt mir einen Klaps auf den Rücken.
    »Womit?«
    »Jeder bekommt einen Eimer voll. Mach schon«, drängt er.
    Zögernd klettere ich auf den Flachwagen. Der Gestank nach Katzenurin
ist überwältigend. August reicht mir nacheinander die Fleischeimer an. Als ich
sie auf dem verwitterten Holzboden absetze, versuche ich, nicht zu atmen.
    Die Raubtierkäfige haben jeweils zwei getrennte Bereiche. Links von
mir sind zwei Löwen, rechts ein Tiger und ein Panther. Alle vier sind gewaltig.
Sie heben die Köpfe und wittern mit zuckenden Schnurrhaaren.
    »Los, mach schon«, sagt August.
    »Wie denn, einfach die Tür auf und rein damit?«
    »Wenn dir nichts Besseres einfällt.«
    Der Tiger steht auf, gute zweihundertfünfzig Kilo in prächtigem
Schwarz, Orange und Weiß. Er hat einen riesigen Kopf und lange Schnurrhaare. Er
kommt zur Tür, dreht um und geht weg. Als er zurückkommt, faucht er und schlägt
nach dem Riegel. Das Vorhängeschloss rasselt gegen die Stangen.
    »Fang mit Rex an«, sagt August und deutet auf die Löwen, die
ebenfalls hin und her laufen. »Er ist der linke.«
    Rex ist deutlich kleiner als der Tiger, seine Mähne ist verfilzt,
und unter seinem stumpfen Fell kann man die Rippen erkennen. Ich wappne mich
innerlich und greife nach einem Eimer.
    »Warte.« August zeigt auf einen anderen Eimer. »Nicht dieser. Der
da.«
    Ich sehe keinen Unterschied, aber da ich bereits feststellen konnte,
dass man August nicht widersprechen sollte, gehorche ich.
    Als der Löwe mich kommen sieht, springt er auf die Tür zu. Ich
erstarre.
    »Was ist los, Jacob?«
    Ich drehe mich um. August strahlt mich an.
    »Du hast doch wohl keine Angst vor Rex, oder?«, fährt er fort. »Er
ist ein echtes Schmusekätzchen.«
    Rex hält inne, um sein räudiges Fell an den vorderen Käfigstangen zu
reiben.
    Mit zittrigen Händen nehme ich das Vorhängeschloss ab und lege es
neben mich auf den Boden. Ich packe den Eimer und warte. Als Rex sich das
nächste Mal von der Tür wegdreht, öffne ich sie.
    Bevor ich das Fleisch ausschütten kann, schließen sich seine
mächtigen Kiefer um meinen Arm. Ich schreie. Der Eimer fällt krachend zu Boden,
und die kleingehackten Innereien verteilen sich über den ganzen Boden. Die
Raubkatze lässt von meinem Arm ab und stürzt sich auf das Fleisch.
    Ich knalle die Tür zu, drücke mit dem Knie dagegen und sehe nach, ob
mein Arm noch dran ist. Das ist er. Er tropft vor Speichel und ist so rot, als
hätte ich ihn in kochendes Wasser getaucht, aber die Haut ist unverletzt. Dann
merke ich, dass August hinter mir schallend lacht.
    Ich drehe mich zu ihm um. »Was war das denn? Findest du das witzig?«
    »Ja, allerdings«, antwortet August, der sich nicht die geringste
Mühe gibt, seine Heiterkeit zu unterdrücken.
    »Du bist echt krank, weißt du das?« Ich springe vom Flachwagen und
stampfe nach einem weiteren Blick auf den unversehrten Arm

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