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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Wart’s ab – spätestens heute Mittag frisst der
Bürgermeister ihm aus der Hand.« Er schlägt mir auf die Schulter. »Komm mit.«
    »Wohin?«, frage ich.
    »In die Stadt, frühstücken«, antwortet er. »Ich glaube nicht, dass
es hier etwas zu essen gibt. Wahrscheinlich bis morgen nicht.«
    »Herrje – wirklich?«
    »Na ja, wir versuchen’s, aber wir haben dem Vorläufer ja keine Zeit
gelassen, vor uns hier anzukommen, oder?«
    »Was ist mit denen?«
    »Mit wem?«
    Ich zeige auf den aufgelösten Zirkus.
    »Die? Wenn sie hungrig genug werden, verziehen sie sich. Ist für
alle das Beste.«
    »Und unsere Leute?«
    »Ach, die. Die halten schon durch, bis es was gibt. Keine Sorge. Al
lässt sie nicht verhungern.«
    Wir gehen in ein Diner unweit der Hauptstraße. Eine Wand
ist von Sitzgruppen gesäumt, gegenüber steht eine laminatbeschichtete Theke mit
rot gepolsterten Hockern. Dort sitzen ein paar Männer, sie rauchen und
unterhalten sich mit dem Mädchen hinter der Theke.
    Ich halte Marlena die Tür auf. Sie steuert sofort auf eine der
Sitzgruppen zu und rutscht bis zur Wand durch. August lässt sich auf die
gegenüberliegende Bank fallen, und so sitze ich schließlich neben ihr. Sie
verschränkt die Arme und starrt die Wand an.
    »Morgen. Was darf’s denn sein?«, fragt das Mädchen von ihrem Platz
hinter der Theke aus.
    »Einmal komplett«, bestellt August. »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Wie wollen Sie Ihre Eier?«
    »Als Spiegeleier.«
    »Ma’am?«
    »Nur Kaffee«, sagt Marlena, schlägt die Beine übereinander und wippt
mit dem Fuß. Die Bewegung ist hektisch, beinahe aggressiv. Sie würdigt die
Kellnerin keines Blickes. Auch August nicht. Oder mich, wenn ich es recht
bedenke.
    »Sir?«, fragt das Mädchen.
    »Ähm, das Gleiche wie er«, sage ich. »Danke.«
    August lehnt sich zurück und holt ein Päckchen Camels hervor. Er
schnippt gegen den unteren Rand, und eine Zigarette schießt in hohem Bogen
heraus. Er fängt sie mit den Lippen auf und lehnt sich zurück, mit glänzenden
Augen und triumphierend ausgebreiteten Armen.
    Marlena wendet sich ihm zu und sieht ihn an. Mit steinerner Miene
klatscht sie, langsam und bedächtig.
    »Komm schon, Liebling, sei nicht albern«, sagt August. »Du weißt
doch, dass wir kein Fleisch mehr hatten.«
    »Entschuldigt mich«, sagt sie und rutscht auf mich zu. Ich springe
auf, um ihr Platz zu machen. Mit klappernden Absätzen und wiegenden Hüften
marschiert sie in ihrem roten Glockenrock zur Tür hinaus.
    »Frauen«, sagt August und zündet in der hohlen Hand seine Zigarette
an. Dann klappt er das Feuerzeug zu. »Ach, entschuldige. Willst du eine?«
    »Nein, danke. Ich rauche nicht.«
    »Nicht?«, fragt er nach und nimmt einen Zug. »Du solltest damit
anfangen. Ist gut für die Gesundheit.« Er steckt das Päckchen wieder ein und
schnippt mit den Fingern nach dem Mädchen hinter der Theke. Sie steht mit einem
Pfannenwender in der Hand am Herd.
    »Etwas Beeilung, bitte. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Sie bleibt mit erhobenem Pfannenwender stehen. Zwei Männer an der
Theke drehen sich mit großen Augen langsam zu uns um.
    »Ähm, August«, sage ich.
    »Was?« Er wirkt ernsthaft verwundert.
    »Ich mache, so schnell ich kann«, sagt die Kellnerin frostig.
    »Prima. Mehr verlange ich ja gar nicht«, entgegnet August. Er beugt
sich zu mir und spricht leise weiter. »Was habe ich gesagt. Frauen.
Wahrscheinlich ist Vollmond oder so.«
    Bei meiner Rückkehr zum Zirkusplatz stehen einige wenige Zelte
von Benzini: die Menagerie, das Stallzelt und der Küchenbau. Die Fahne weht,
und der Geruch nach altem Fett hängt in der Luft.
    »Lass es lieber«, sagt ein Mann, der gerade herauskommt. »Frittierte
Fladen und nur Muckefuck, mit dem man sie runterspülen kann.«
    »Danke für die Warnung«, sage ich.
    Er spuckt aus und geht.
    Die übrig gebliebenen Mitarbeiter von Fox Brothers stehen vor dem
Direktionswagen Schlange, eingehüllt in eine Aura des verzweifelten Hoffens.
Einige lächeln und machen Witze, aber ihr Lachen klingt schrill. Manche starren
mit verschränkten Armen stur vor sich hin. Andere zappeln herum oder laufen mit
gesenktem Kopf auf und ab. Einer nach dem anderen werden sie hineingerufen zu
einer Audienz bei Onkel Al.
    Die meisten steigen niedergeschlagen wieder aus. Einige wischen sich
über die Augen und unterhalten sich leise mit den Vorderen in der Schlange.
Andere blicken stoisch geradeaus und machen sich dann auf in Richtung Stadt.
    Zwei Zwerge gehen

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