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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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zusammen hinein. Wenige Minuten später kommen sie
mit grimmigen Gesichtern wieder heraus und sprechen mit einem Grüppchen anderer
Männer. Dann ziehen sie entlang der Gleise von dannen, Seite an Seite mit hoch
erhobenen Köpfen und vollgepackten Kissenbezügen über den Schultern.
    Ich suche in der Menge nach dem berühmten Charles. Einige
Abnormitäten sind dabei: Zwerge und Kleinwüchsige und Riesen, eine bärtige Dame
(Al hat schon eine, also wird sie wohl kein Glück haben), ein unglaublich
dicker Mann (der Glück haben könnte, wenn Al ein Pärchen will) und ein
Sammelsurium von betrübt dreinschauenden Menschen und Hunden. Aber kein Mann,
dem ein Kleinkind aus der Brust wächst.
    Nachdem Onkel Al seine Wahl getroffen hat, reißen unsere
Arbeiter alle Zelte des anderen Zirkus ab, bis auf den Stall und die Menagerie.
Die zurückgebliebenen Männer von Fox Brothers, die auf keiner Lohnliste mehr
stehen, sitzen da und sehen zu, sie rauchen und spucken Tabaksaft in hohes
Gestrüpp aus Wilder Möhre und Disteln.
    Als Onkel Al herausfindet, dass die Stadtverwaltung die Arbeitstiere
von Fox Brothers noch nicht aufgelistet hat, werden rasch einige unauffällige
Pferde von einem Stallzelt ins andere verfrachtet. Man könnte auch sagen, sie
werden einverleibt. Und Onkel Al hat nicht als Einziger diese Idee – an den
Ausläufern des Geländes treibt sich eine Handvoll Farmer mit Halftern in der
Hand herum.
    »Sie nehmen einfach so welche mit?«, frage ich Pete.
    »Wahrscheinlich«, antwortet er. »Is’ mir völlig egal, solange sie
unsere nicht anrühren. Aber halt die Augen auf. Es wird ein, zwei Tage dauern,
bis alles auseinanderklamüsert ist, und ich will nicht, dass eins von unseren
nachher fehlt.«
    Unsere Arbeitstiere haben im Akkord geschuftet, und jetzt schäumen
die großen Pferde und atmen schwer. Ich überrede einen der Stadtangestellten,
einen Hydranten aufzudrehen, damit wir sie tränken können, aber damit haben sie
immer noch weder Heu noch Hafer.
    August kommt wieder, als wir den letzten Trog füllen.
    »Was zum Teufel macht ihr da? Die Pferde haben drei Tage lang im Zug
gestanden – los, bringt sie raus und macht ihnen ordentlich Dampf, damit sie
nicht weich werden.«
    »Dampf machen, so’n Mist«, antwortet Pete. »Sieh dich mal um. Was
glaubst du wohl, was die in den letzten vier Stunden gemacht haben?«
    »Du hast unsere Arbeitspferde genommen?«
    »Was zum Teufel hätte ich sonst nehmen sollen?«
    »Du hättest deren Pferde nehmen sollen!«
    »Deren verdammte Pferde kenn ich nicht!«, schreit Pete. »Und warum
sollen wir deren Arbeitspferde nehmen, wenn wir unseren nachher eh nur Dampf
machen sollen, damit sie in Form bleiben!«
    August öffnet den Mund. Dann schließt er ihn wieder und
verschwindet.
    Wenig später treffen Lieferwagen auf dem Gelände ein. Einer nach
dem anderen fährt rückwärts an den Küchenbau, und unglaubliche Mengen an
Lebensmitteln verschwinden dahinter. Die Küchenmannschaft macht sich an die
Arbeit und im Handumdrehen dampft der Kessel, und der Duft von gutem Essen –
von richtigem Essen – weht über den Platz.
    Futter und Streu für die Tiere werden wenig später gebracht, nicht
in Lastwagen, sondern auf Karren. Als wir das Heu ins Stallzelt fahren, wiehern
und poltern die Pferde, sie recken die Hälse und schnappen das Futter direkt
aus der Luft.
    Die Tiere in der Menagerie freuen sich genauso, uns zu sehen – die
Schimpansen schreien, blecken die Zähne und schaukeln an ihren Gitterstäben.
Die Fleischfresser laufen auf und ab, während die Heufresser vor Aufregung die
Köpfe zurückwerfen, schnauben, kreischen und sogar bellen.
    Ich öffne den Käfig des Orang-Utan-Weibchens und stelle einen Topf
mit Obst, Gemüse und Nüssen auf den Boden. Als ich wieder zumache, streckt sie
ihren langen Arm durch die Gitterstäbe. Sie deutet auf eine Orange in einem der
anderen Töpfe.
    »Die? Willst du die?«
    Sie zeigt weiter darauf und blinzelt mich aus ihren eng zusammenstehenden
Augen an. Ihr flaches, breites Gesicht wird von roten Haarfransen umsäumt. Sie
ist das Scheußlichste und das Schönste, was ich je gesehen habe.
    »Hier.« Ich halte ihr die Orange hin. »Kannst du haben.«
    Sie nimmt sie und legt sie auf den Boden. Wieder streckt sie den Arm
aus. Zuerst habe ich ernsthafte Bedenken, dann halte ich ihr die Hand hin. Sie
umschließt sie kurz mit ihren langen Fingern. Anschließend setzt sie sich hin
und schält ihre Orange.
    Ich bin völlig verblüfft. Sie hat

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