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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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harmlosen
alten Penis, der ab und an vorwitzig wird. Sollte allerdings mal eine von ihnen
die Sache ernst nehmen und zur Tat schreiten, würde der Schock mich wahrscheinlich
umbringen.
    Rosemary hilft mir in die Duschkabine. »So, dann halten Sie sich
einfach an dem Griff da fest …«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich hab schon mal geduscht«, sage ich, packe
den Haltegriff und lasse mich langsam auf den Duschstuhl sinken. Rosemary
schiebt den Duschkopf an der Stange nach unten bis in meine Reichweite.
    »Ist die Temperatur so in Ordnung, Mr. Jankowski?«, fragt sie,
während sie mit diskret abgewandtem Blick die Hand kurz in den Wasserstrahl
hält.
    »Bestens. Geben Sie mir bitte einfach das Shampoo und gehen Sie
raus, ja?«
    »Na, Mr. Jankowski, Sie haben ja heute eine Laune.« Sie öffnet die
Shampooflasche und drückt ein paar Tropfen auf meine Hand. Das reicht, es sind
nur noch etwa ein Dutzend Haare übrig.
    »Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen«, sagt sie und zieht den
Vorhang zu. »Ich warte hier draußen.«
    »Hrrmmpf«, entgegne ich.
    Als sie endlich verschwunden ist, gefällt mir das Duschen richtig
gut. Ich nehme den Duschkopf aus seiner Halterung und bringe den Strahl nah an
den Körper, richte ihn auf die Schultern und den Rücken hinunter und dann auf
meine dürren Gliedmaßen. Ich lege sogar mit geschlossenen Augen den Kopf zurück
und das Wasser sprüht mir direkt ins Gesicht. Ich tue so, als wäre es ein
tropischer Regenschauer, schüttle den Kopf und genieße es. Mir gefällt sogar,
wie es sich da unten anfühlt, an dieser schrumpeligen rosa Schlange, die vor so
langer Zeit fünf Kinder gezeugt hat.
    Manchmal, wenn ich im Bett liege, schließe ich die Augen und
erinnere mich daran, wie der nackte Körper einer Frau aussieht und vor allem,
wie er sich anfühlt. Meistens ist es der Körper meiner Frau, aber nicht immer. Ich
war ihr absolut treu. Nicht ein Mal in den sechzig Jahren habe ich in fremden
Revieren gewildert, außer vielleicht in Gedanken, und ich habe das Gefühl, das
hätte ihr nichts ausgemacht. Sie war eine außerordentlich verständnisvolle
Frau.
    O Gott, ich vermisse sie so. Und nicht nur, weil ich nicht hier
wäre, wenn sie noch am Leben wäre, obwohl das bei allen Heiligen stimmt. Wie
schwach wir auch geworden wären, wir hätten doch füreinander gesorgt, so wie
immer. Aber als sie nicht mehr war, hatte ich keine Chance gegen die Kinder.
Nach meinem ersten Sturz hatten sie alles schneller unter Dach und Fach
gebracht, als man »Cracker Jack« sagen konnte.
    Aber Dad, du hast dir die Hüfte gebrochen, sagten sie, als sei mir
das vielleicht entgangen. Ich habe mich stur gestellt. Ich habe ihnen gedroht,
ihnen den Geldhahn zuzudrehen, bis mir eingefallen ist, dass sie mein Geld
bereits verwalteten. Sie haben mich nicht daran erinnert – sie haben mich wie
einen alten Narren zetern lassen, bis es mir von selbst wieder eingefallen ist,
und das hat mich noch wütender gemacht, denn wenn sie mich auch nur ein
bisschen respektieren würden, hätten sie mir wenigstens die Tatsachen
klargemacht. Ich kam mir vor wie ein Kleinkind, das seinen Wutanfall ausleben
darf.
    Je klarer mir das Ausmaß meiner Hilflosigkeit wurde, desto haltloser
wurde meine Position.
    Ihr habt recht, gab ich nach. Wahrscheinlich könnte ich etwas Hilfe
gebrauchen. Ich schätze, jemanden tagsüber hier zu haben, wäre nicht schlecht,
nur als Hilfe beim Kochen und Putzen. Nein? Und wie wäre jemand, der hier
wohnt? Ich weiß, ich bin etwas nachlässig geworden, seit eure Mutter gestorben
ist … Aber ihr habt doch gesagt … Na gut, dann kann einer von euch bei mir
einziehen … Aber ich verstehe nicht … Ach, Simon, du hast doch ein großes Haus.
Ich könnte doch sicher …?
    Es sollte nicht sein.
    Ich weiß noch, wie ich zum letzten Mal mein Haus verließ, dick
eingemummelt wie ein Kater auf dem Weg zum Tierarzt. Als der Wagen losfuhr,
verschleierten Tränen mir die Augen, sodass ich nicht einmal einen letzten
Blick zurück werfen konnte.
    Es ist kein Pflegeheim, sagten sie. Es ist betreutes Wohnen –
schrittweise, weißt du. Du bekommst nur Hilfe, wenn du welche brauchst, und
wenn du älter wirst …
    Hier brachen sie immer ab, als würde ich so den Gedanken nicht zu
Ende spinnen.
    Lange empfand ich es als Verrat, dass nicht eines meiner fünf Kinder
anbot, mich zu sich zu nehmen. Mittlerweile nicht mehr. Nachdem ich in Ruhe
darüber nachdenken konnte, weiß ich, dass sie auch ohne mich genug

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