Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
vor
ihrem Kopf herum.
Sie lässt den Rüssel baumeln und blinzelt.
»Ich sagte beweg dich !« Er stellt sich
hinter sie und drischt auf ihr Bein ein. »Beweg dich endlich, gottverdammt!«
Sie aber kneift die Augen zusammen und legt nur die riesigen Ohren flach an den
Kopf.
August sieht mich und erstarrt. Er nimmt den Haken herunter. »Harte
Nacht?«, spottet er.
Die Schamesröte kribbelt mir den Nacken hoch und über den ganzen
Kopf.
»Vergiss es. Hol dir einen Stock und hilf mir; dieses dumme Vieh
soll sich bewegen.«
Pete nähert sich von hinten, in den Händen dreht er seinen Hut.
»August?«
August fährt wütend herum. »Um Himmels willen. Was ist los, Pete?
Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?«
»Das Futter für die Katzen ist da.«
»Gut. Kümmer dich darum. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Was genau soll ich damit machen?«
»Was glaubst du wohl, was du damit machen sollst?«
»Aber Boss …«, sagt Pete verzweifelt.
»Gottverdammt!«, flucht August. Die Ader an seiner Schläfe pocht bedrohlich.
»Muss ich denn jeden Mist selbst machen? Hier«, sagt er und streckt mir den
Elefantenhaken entgegen. »Bring dem Vieh was bei. Irgendwas. Bis jetzt, glaube
ich, kann sie nicht mehr als scheißen und fressen.«
Mit dem Haken in der Hand beobachte ich, wie er aus dem Zelt stürmt.
Ich sehe ihm immer noch hinterher, als mir der Elefantenrüssel über das Gesicht
streicht und mir warm ins Ohr pustet. Ich drehe mich um und blicke direkt in ein
bernsteinfarbenes Auge. Es zwinkert mir zu. Von diesem Auge wandert mein Blick
zu dem Elefantenhaken in meiner Hand.
Dann sehe ich wieder in das Auge, und wieder zwinkert es. Ich beuge
mich hinunter und lege den Haken weg.
Sie lässt ihren Rüssel über den Boden streifen, dabei fächert sie
mit ihren Ohren wie mit riesigen Blättern. Ihr Maul öffnet sich zu einem
Lächeln.
»Hallo«, sage ich. »Hallo, Rosie. Ich bin Jacob.«
Nach kurzem Zögern strecke ich die Hand aus, nur ein bisschen.
Pustend zischt der Rüssel an mir vorbei. Ermutigt lege ich ihr eine Hand auf
die Schulter. Ihre Haut ist rau und stoppelig und erstaunlich warm.
»Hallo«, sage ich noch einmal und tätschle sie vorsichtig.
Ihr enormes Ohr fächert vor und zurück, und dann ist der Rüssel
wieder da. Ich berühre ihn zaghaft, dann streichle ich ihn. Ich bin vollkommen
fasziniert und so vertieft, dass ich August erst sehe, als er plötzlich vor mir
stehen bleibt.
»Was zum Henker ist heute Morgen nur mit euch los? Ich sollte euch
allesamt feuern – Pete ist sich zu fein für die Arbeit, und du verschwindest
erst und schmust dann mit dem Elefanten rum. Wo ist der verdammte Haken?«
Ich bücke mich, um ihn aufzuheben. August reißt ihn mir aus der
Hand, und Rosie legt wieder die Ohren an.
»Hier, Prinzessin«, sagt August zu mir. »Ich habe eine Aufgabe für
dich, die du vielleicht sogar schaffst. Such Marlena und sorg dafür, dass sie
in nächster Zeit nicht hinter die Menagerie geht.«
»Warum?«
August atmet tief ein und umklammert den Elefantenhaken so fest,
dass seine Knöchel weiß hervortreten. »Weil ich es gesagt habe. Alles klar?« Er
spricht mit zusammengebissenen Zähnen.
Natürlich gehe ich hinter die Menagerie, um herauszufinden, was
Marlena nicht sehen soll. Gerade als ich um die Ecke komme, schneidet Pete
einem abgehalfterten Grauschimmel die Kehle durch. Das Pferd schreit, aus der
klaffenden Wunde in seinem Hals schießt meterweit Blut.
»Ach du Scheiße!«, rufe ich und mache einen Satz nach hinten.
Das Herz des Pferdes schlägt langsamer, und die Blutfontänen werden
schwächer. Schließlich geht das Pferd in die Knie und kracht vornüber. Es
scharrt mit den Vorderhufen, dann liegt es still. Seine Augen sind weit
aufgerissen. Aus seinem Hals ergießt sich ein See dunklen Blutes.
Pete, der sich über das zuckende Tier beugt, sieht kurz zu mir hoch.
An einem Pflock neben ihm ist ein ausgemergelter Brauner
festgebunden. Er ist vor Angst außer sich. Seine geweiteten Nüstern schimmern
rot, er reckt das Maul hoch in die Luft. Die Führleine ist zum Zerreißen
gespannt. Pete steigt über das tote Pferd, packt das Seil nahe am Kopf des
Braunen und schneidet ihm die Kehle durch. Noch mehr spritzendes Blut, noch ein
Todeskampf, noch ein Tier, das zusammenbricht.
Petes Arme hängen kraftlos herab, die Ärmel hat er bis über die
Ellbogen aufgekrempelt, und in der Hand hält er das blutige Messer. Er lässt
das Pferd nicht aus den Augen, bis es tot ist, dann hebt er den
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