Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
zu. Dann wische ich
mir über die Stirn. Die fühlt sich merkwürdig glitschig an und meine Hand ist
weiß verschmiert.
    »Was zum …«, setze ich an und starre auf meine Hand.
    Kinko dreht sich um und reicht mir einen Spiegel. Voll böser
Vorahnung nehme ich ihn an. Als ich ihn mir vor das Gesicht halte, blickt mir
daraus ein Clown entgegen.
    Ich strecke den Kopf aus dem Zelt, schaue links, schaue rechts
und renne dann unter lautem Gelächter und Frotzeleien zum Pferdewagen.
    »Uuuuiiii, was für’n heißer Feger!«
    »He, Fred – guck mal, die neue Muschi!«
    »Sag mal, Süße, heute Abend schon was vor?«
    Ich stürze in den Ziegenverschlag, knalle die Tür zu und lehne mich
dagegen. Keuchend warte ich, bis das Lachen draußen abebbt. Dann schnappe ich
mir ein Tuch und reibe mir noch mal über das Gesicht. In der Clownsgasse habe
ich es mir wundgerieben, aber irgendwie glaube ich immer noch nicht, dass es
sauber ist. Ich glaube, nichts an mir wird jemals wieder sauber sein. Am
schlimmsten ist, dass ich nicht einmal weiß, was ich alles gemacht habe. Ich
kann mich nur an Bruchstücke erinnern, und so entsetzlich sie auch sein mögen,
ist es noch schlimmer, nicht zu wissen, was dazwischen passiert ist.
    Plötzlich wird mir klar, dass ich keine Ahnung habe, ob ich noch
Jungfrau bin.
    Ich stecke eine Hand in den Morgenmantel und kratze mich an den
stoppeligen Eiern.
    Wenig später kommt auch Kinko. Ich liege auf meiner Schlafmatte,
die Arme über dem Kopf.
    »Lass dich lieber schleunigst da draußen blicken«, sagt er. »Er
sucht dich immer noch.«
    Etwas schnauft mir ins Ohr. Ich hebe den Kopf und stoße gegen eine
feuchte Nase. Queenie springt zurück, wie von einem Katapult abgeschossen. Sie
betrachtet mich aus einem Meter Entfernung und schnuppert vorsichtig.
Wahrscheinlich bin ich heute früh ein wahres Potpourri der Gerüche. Ich lasse
den Kopf wieder fallen.
    »Willst du gefeuert werden, oder was?«, fragt Kinko.
    »Im Moment ist mir das echt egal«, murmle ich.
    »Was?«
    »Ich gehe sowieso.«
    »Was zum Teufel redest du da?«
    Ich kann nicht antworten. Ich kann ihm nicht erzählen, dass ich mich
nicht nur unglaublich und unverzeihlich blamiert, sondern auch meine erste
Chance auf Sex vergeigt habe – auf etwas, woran ich während der letzten acht
Jahre beinahe pausenlos gedacht habe. Ganz zu schweigen davon, dass ich mich
auf eine der Frauen übergeben habe, die dazu bereit waren, und dass ich dann
umgekippt bin, mir jemand die Eier rasiert, das Gesicht angemalt und mich in
eine Truhe gestopft hat. Allerdings kann ihm das nicht alles neu sein, da er
mich ja heute Morgen zu finden wusste. Vielleicht hat er bei dem ganzen Spaß
sogar mitgemacht.
    »Sei kein Waschlappen«, sagt er. »Willst du etwa auf der Straße
landen wie die anderen armen Penner? Los, ab nach draußen mit dir, bevor du gefeuert
wirst.«
    Ich bleibe einfach liegen.
    »Ich hab gesagt, steh auf!«
    »Was kümmert es dich?«, grummle ich. »Und hör auf zu schreien. Mir
tut der Kopf weh.«
    »Steh jetzt endlich auf, verdammt, sonst tut dir gleich noch mehr
weh!«
    »Schon gut! Aber schrei nicht so!«
    Ich wuchte mich hoch und werfe ihm einen finsteren Blick zu. Mein
Schädel hämmert, und meine Gelenke fühlen sich an, als hingen Bleigewichte an
ihnen. Weil er mich immer noch beobachtet, drehe ich mich zur Wand und behalte
den Morgenmantel an, bis ich die Hose hochgezogen habe, um zu verstecken, dass
ich rasiert bin. Trotzdem laufe ich hochrot an.
    »Ach ja, willst du einen guten Rat?«, fragt er. »Ein paar Blumen für
Barbara wären angebracht. Die andere ist nur eine Hure, aber Barbara ist eine
Freundin.«
    Ich schäme mich bis an die Haarwurzeln, mir wird sogar kurz schwarz
vor Augen. Als ich keine Angst mehr habe, ohnmächtig zu werden, blicke ich zu
Boden; ich werde sicher nie wieder jemandem in die Augen sehen können.
    Der Zug von Fox Brothers hat das Abstellgleis verlassen, und der
so umstrittene Elefantenwagen ist direkt hinter der Lok angekoppelt, wo es sich
am ruhigsten fährt. Statt Ritzen in den Bretterwänden hat er Lüftungsklappen
und besteht aus Metall. Die Jungs von der Fliegenden Vorhut bauen eifrig die
Zelte ab – die großen sind überwiegend schon am Boden, wodurch im Hintergrund
die Gebäude von Joliet sichtbar werden. Eine Reihe von Städtern hat sich
versammelt, um dem Treiben zuzusehen.
    Ich finde August im Menageriezelt bei der Elefantenkuh.
    »Beweg dich!«, schreit er und fuchtelt mit dem Elefantenhaken

Weitere Kostenlose Bücher