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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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das Gesicht mit
einem Lappen ab.
    »Was zum Teufel war das?«, fragt er. Aus meinem Blickwinkel sehe ich
nur seine übergroßen, roten Schuhe.
    »Was denn?«
    »Bei der Parade. Gehörte das zur Nummer?«
    »Nein«, antworte ich.
    »Heiliger Strohsack«, sagt er. »Heiliger Strohsack. Wenn das so ist,
war das toll gerettet. Marlena ist wirklich was Besonderes. Aber das wusstest
du ja schon, oder?« Er schnalzt mit der Zunge, beugt sich herunter und knufft
mich in die Schulter.
    »Kannst du das mal lassen?«
    »Was denn?«, fragt er und spreizt in gespielter Unschuld die Hände.
    »Das ist nicht witzig. Sie ist verletzt, okay?«
    Das alberne Grinsen verschwindet aus seinem Gesicht. »Oh. He, Mann,
tut mir leid. Das wusste ich nicht. Wird sie wieder gesund?«
    »Weiß ich noch nicht. Sie warten auf den Arzt.«
    »Scheiße. Tut mir leid, Jacob, wirklich.« Er dreht sich zur Tür und
atmet tief durch. »Aber nicht halb so leid, wie es dem Elefanten tun wird.«
    Ich zögere. »Es tut ihr schon leid, Walter. Glaub mir.«
    Mit Blick nach draußen sagt er: »Herrje.« Er stemmt die Hände in die
Hüfte und blickt zum anderen Ende des Zirkusplatzes. »Herrje. Da wette ich
drauf.«
    Während des Abendessens bleibe ich im Pferdewagen, und auch
während der abendlichen Vorstellung. Ich fürchte, wenn ich August sehe, bringe
ich ihn um.
    Ich hasse ihn. Ich hasse ihn dafür, dass er so brutal ist. Ich hasse
es, in seiner Pflicht zu stehen. Ich hasse es, dass ich in seine Frau verliebt
bin und dass es mir mit dem Elefanten verdammt ähnlich geht. Und vor allem
hasse ich es, dass ich beide im Stich gelassen habe. Ich weiß nicht, ob Rosie
schlau genug ist, um mich mit ihrer Bestrafung in Verbindung zu bringen und
sich zu fragen, warum ich sie nicht verhindert habe, aber ich bin schlau genug,
und ich stelle mir diese Frage.
    »Fersenprellung«, verkündet Walter, als er zurück ist. »Komm,
Queenie, auf! Auf!«
    »Was?«, murmle ich. Seit er gegangen ist, habe ich mich nicht
gerührt.
    »Marlena hat sich beide Fersen geprellt. Sie fällt für ein paar
Wochen aus. Dachte, das willst du vielleicht wissen.«
    »Oh. Danke«, antworte ich.
    Er setzt sich auf seine Pritsche und mustert mich lange.
    »Also, was ist jetzt mit dir und August?«
    »Wie meinst du das?«
    »Seid ihr nun dicke Freunde, oder nicht?«
    Ich setze mich mühsam auf und lehne mich an die Wand. »Ich hasse
diesen Scheißkerl«, antworte ich schließlich.
    »Ha!«, schnaubt Walter. »Na gut, dann bist du also doch vernünftig.
Und warum steckst du dann ständig mit den beiden zusammen?«
    Darauf antworte ich nicht.
    »Oh, entschuldige. Hab ich vergessen.«
    »Du siehst das völlig falsch«, sage ich und rapple mich auf.
    »Ach?«
    »Er ist mein Boss, und ich habe keine andere Wahl.«
    »Das stimmt. Aber es geht auch um die Frau, und das weißt du.«
    Ich werfe ihm einen bösen Blick zu.
    »Okay, okay.« Er hebt ergeben die Hände. »Bin schon ruhig. Du weißt
ja, wie es aussieht. Hier.« Nachdem er seine Kiste durchwühlt hat, wirft er mir
einen Achtseiter zu. Das Heft schlittert über den Boden und bleibt neben mir
liegen. »Ist zwar nicht Marlena, aber besser als gar nichts.«
    Als Kinko sich weggedreht hat, hebe ich es auf und blättere es
durch. Doch trotz der deutlichen, überzogenen Zeichnungen fehlt mir jegliches
Interesse für den großen Filmstudioboss, der das dürre Möchtegern-Starlett mit
dem Pferdegesicht bumst.

Dreizehn
    Blinzelnd versuche ich, einen klaren Kopf zu bekommen –
die dürre Schwester mit dem Pferdegesicht hat am Ende des Flurs ein Tablett
fallen lassen, und das hat mich geweckt. Ich habe nicht gemerkt, dass ich
eingenickt bin, aber so ist das jetzt ständig. Ich scheine manchmal durch Raum
und Zeit zu gleiten. Entweder werde ich endgültig senil, oder mein Verstand
versucht auf diese Weise, gegen seine völlige Unterforderung anzukämpfen.
    Die Schwester geht in die Hocke, um das heruntergefallene Essen
wieder einzusammeln. Ich mag sie nicht – sie will mich ständig vom Laufen
abhalten. Wahrscheinlich macht es sie einfach nervös, dass ich so wacklig auf
den Beinen bin, denn sogar Dr. Rashid gibt zu, dass das Laufen mir gut tut,
solange ich es nicht übertreibe oder irgendwo strande.
    Ich sitze auf dem Flur direkt neben meiner Tür, aber es dauert noch
mehrere Stunden, bis meine Familie kommt, und ich würde gerne aus dem Fenster
sehen.
    Ich könnte einfach die Schwester rufen. Aber wo bliebe da der Spaß?
    Ich schiebe meinen

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