Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
sich zu ihm neigen und mit vor
Bewunderung glänzenden Augen lauschen. Es macht mich einfach rasend.
Ich setze schon zu einem Kommentar an, da sehe ich Rosemary. Sie
beugt sich am anderen Ende des Raumes über eine alte Frau, der sie eine
Serviette in den Halsausschnitt steckt. Ihr Blick aber ist auf mich gerichtet.
Ich schließe den Mund wieder. Ich hoffe nur, sie weiß zu schätzen,
wie sehr ich mich bemühe.
Und das tut sie. Nachdem der bräunliche Pudding mit Garnierung auf
Speiseölbasis seinen Auftritt hatte, eine Weile geblieben ist und wieder
abgeräumt wurde, holt sie mich ab, beugt sich zu mir herunter und flüstert:
»Ich wusste, Sie schaffen das, Mr. Jankowski. Ich wusste es einfach.«
»Ja. Na ja. Es war nicht einfach.«
»Aber es ist doch besser, als alleine an einem Tisch zu sitzen,
oder?«
»Vielleicht.«
Erneut verdreht sie die Augen gen Himmel.
»Schon gut. Ja«, gebe ich widerwillig zu. »Wahrscheinlich ist es besser,
als alleine zu sitzen.«
Vierzehn
Seit Marlenas Unfall sind sechs Tage vergangen, und sie
hat sich noch nicht wieder blicken lassen. August nimmt seine Mahlzeiten nicht
mehr im Küchenbau ein, weswegen ich auffallend alleine an unserem Tisch sitze.
Wenn ich ihm über den Weg laufe, während ich die Tiere versorge, ist er
höflich, aber distanziert.
Was Rosie angeht, so wird sie im Flusspferdwagen durch jede Stadt
gekarrt und anschließend in der Menagerie gezeigt. Sie hat gelernt, August vom
Elefantenwagen zum Menageriezelt zu folgen, und im Gegenzug hat er aufgehört,
sie schlimm zu verprügeln. Stattdessen trabt sie neben ihm her, während er den
Elefantenhaken fest in das Fleisch hinter ihrem Vorderbein presst. In der
Menagerie steht sie dann hinter ihrem Seil, bezaubert vergnügt das Publikum und
lässt sich mit Süßigkeiten füttern. Auch wenn Onkel Al es nicht ausgesprochen
hat, scheint für die nahe Zukunft keine weitere Elefantennummer geplant zu
sein.
Mit jedem Tag mache ich mir mehr Sorgen um Marlena. Jedes Mal, wenn
ich zum Küchenbau gehe, hoffe ich, sie dort zu sehen. Und jedes Mal, wenn sie
nicht da ist, versetzt es mir einen Stich.
Am Ende eines weiteren langen Tages in irgendeiner Stadt – von
den Nebengleisen aus sehen sie alle gleich aus – bereitet die Fliegende Vorhut
die Abreise vor. Ich fläze mich mit Othello auf
meiner Schlafmatte, während Walter auf seiner Pritsche Wordsworth liest.
Queenie schmiegt sich eng an ihn.
Plötzlich hebt sie den Kopf und knurrt. Walter und ich fahren sofort
hoch.
Earl streckt seinen großen, kahlen Kopf durch die Tür. »Doc!«, ruft
er mir zu. »He! Doc!«
»Hallo, Earl. Was gibt’s?«
»Ich brauch deine Hilfe.«
»Sicher. Worum geht es?«, frage ich und lege mein Buch weg. Walter
drückt die zappelnde Queenie fest an sich. Sie knurrt wie verrückt.
»Um Camel«, sagt Earl mit gedämpfter Stimme. »Er hat Probleme.«
»Was für Probleme?«
»Mit den Füßen. Sie schlackern richtig und klatschen irgendwie auf
den Boden. Seinen Händen geht’s auch nicht besser.«
»Ist er betrunken?«
»Jetzt gerade nicht. Aber das macht auch keinen Unterschied mehr.«
»Verdammt, Earl«, sage ich. »Er braucht einen Arzt.«
Earl runzelt die Stirn. »Klar. Deswegen bin ich ja hier.«
»Earl, ich bin kein Arzt.«
»Du bist Tierarzt.«
»Das ist nicht das Gleiche.«
Ich werfe Walter einen Blick zu. Er gibt vor zu lesen.
Earl blinzelt mich erwartungsvoll an.
»Hör mal«, sage ich schließlich, »wenn es ihm schlecht geht, dann
lass mich mit August oder Onkel Al reden, ob wir ihm in Dubuque einen Arzt besorgen
können.«
»Die holen ihm keinen Arzt.«
»Warum nicht?«
Ehrlich entrüstet baut Earl sich vor mir auf. »Verdammt. Du hast
echt keinen Schimmer, was?«
»Wenn ihm etwas fehlt, werden sie doch sicher …«
»Aus dem Zug schmeißen werden sie ihn«, sagt Earl bestimmt. »Wenn es
um eines der Tiere gehen würde, ja dann …«
Nach kurzem Überlegen wird mir klar, dass er recht hat. »In Ordnung,
ich besorge selbst einen Arzt.«
»Wie denn? Hast du Geld?«
»Ähm, nein«, sage ich betreten. »Hat er welches?«
»Meinst du, wenn er Geld hätte, würde er Jake und diesen billigen
Fusel trinken? Komm schon, willst du ihn dir nicht wenigstens mal ansehen? Der
Alte hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um dir zu helfen.«
»Ich weiß, Earl, ich weiß«, werfe ich ein. »Aber was erwartest du
jetzt von mir?«
»Du bist der Arzt. Sieh ihn dir einfach an.«
In der Ferne ertönt ein Pfeifen.
»Komm schon«,
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