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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Jetzt muss ich damit leben.«
    Ich knie vor ihr und suche in ihrem Gesicht nach einem Zeichen, dass
ich bleiben soll. Nach qualvollem Warten wird mir klar, dass ich keines finden
werde.
    Ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn und gehe.
    Nach nicht einmal vierzig Schritten weiß ich mehr als genug
darüber, wie Rosie für die Limonade bezahlen musste.
    Offenbar ist August in die Menagerie gestürmt und hat alle
hinausgeworfen. Die verblüfften Menageriearbeiter und ein paar andere Männer
pressten von draußen die Ohren an die Nähte des großen Zelts und hörten, wie
drinnen das Wutgeschrei losbrach. Das versetzte die anderen Tiere in Panik –
die Schimpansen kreischten, die Katzen brüllten, und die Zebras bellten.
Trotzdem hörten die bestürzten Zuhörer noch das dumpfe Geräusch, mit dem der
Elefantenhaken wieder und wieder und wieder auf Fleisch schlug.
    Zuerst brüllte und wimmerte Rosie. Als sie anfing, schrill zu
quietschen, wandten sich viele der Männer ab, weil sie es nicht länger ertragen
konnten. Einer von ihnen rannte los, um Earl zu holen, der dann in die
Menagerie ging und August regelrecht herauszerrte. August wehrte sich und trat
um sich, während Earl ihn über den Zirkusplatz und in sein Privatabteil
schleppte.
    Die anderen fanden Rosie zitternd auf der Seite liegen, den Fuß noch
immer an einen Pflock gekettet.
    »Ich hasse diesen Kerl«, sagt Walter, als ich in den Pferdewagen
steige. Er sitzt auf der Pritsche und streichelt Queenie die Ohren. »Ich hasse
ihn abgrundtief.«
    »Erzählt mir mal jemand, was los ist?«, ruft Camel aus seinem
Truhenversteck. »Ich merk doch, dass was war. Jacob? Tu mir den Gefallen.
Walter sagt nichts.«
    Ich antworte nicht.
    »Es gab keinen Grund, dermaßen brutal zu sein. Überhaupt keinen«,
fährt Walter fort. »Außerdem hätte er fast eine Stampede ausgelöst. Dabei
hätten wir alle draufgehen können. Warst du da? Hast du es gehört?«
    Unsere Blicke treffen sich. »Nein.«
    »Also ich wüsste wirklich gerne, worüber zum Geier ihr da redet«,
sagt Camel. »Aber ich zähle hier ja wohl nicht. He, ist nicht Zeit fürs
Abendessen?«
    »Ich habe keinen Hunger«, sage ich.
    »Ich auch nicht«, meint Walter.
    »Na, ich aber«, grummelt Camel. »Aber daran habt ihr bestimmt nicht
gedacht. Und bestimmt habt ihr einem alten Mann nicht mal ein Stück Brot
mitgebracht.«
    Walter und ich sehen uns an. »Ich war da«, sagt er mit
vorwurfsvollem Blick. »Willst du wissen, was ich gehört habe?«
    »Nein.« Ich sehe Queenie an, die meinen Blick erwidert und mit ihrem
Stummelschwanz auf die Decke trommelt.
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Dachte, das interessiert dich vielleicht, wo du doch hier der
Tierarzt bist.«
    »Es interessiert mich auch«, sage ich laut. »Aber ich habe Angst vor
dem, was ich dann vielleicht tue.«
    Walter betrachtet mich lange. »Wer holt dem alten Knacker was zu
futtern, du oder ich?«
    »He! Bloß nicht frech werden!«, ruft der alte Knacker.
    »Ich gehe«, antworte ich.
    Auf halbem Weg zum Küchenbau merke ich, dass ich mit den Zähnen
knirsche.
    Als ich mit Camels Essen zurückkomme, ist Walter verschwunden.
Wenig später taucht er wieder auf, in jeder Hand eine große Flasche Whiskey.
    »Ach, Gott segne dich«, kichert Camel, der aufrecht in einer Ecke
sitzt. Er deutet mit einer schlaffen Hand auf Walter. »Wo zum Henker hast du
die denn aufgetrieben?«
    »Ein Freund aus dem Speisewagen war mir noch was schuldig. Ich
dachte, ein bisschen Vergessen tut uns heute allen gut.«
    »Na dann los«, sagt Camel. »Red nicht lange rum – her damit.«
    Wie auf Kommando sehen wir ihn beide streng an.
    Camel legt das Gesicht in noch tiefere Falten. »Ach herrje, was habt
ihr denn für miese Laune. Was ist los? Hat euch einer in die Suppe gespuckt?«
    »Hier. Ignorier ihn einfach«, sagt Walter und drückt mir eine
Flasche Whiskey gegen die Brust.
    »Was soll das heißen, ignorier ihn einfach? Zu meiner Zeit hat man
den Kindern noch beigebracht, ältere Leute zu respektieren.«
    Anstelle einer Antwort geht Walter mit der anderen Flasche hinüber
und kniet sich neben Camel. Als der nach der Flasche greift, schubst Walter
seine Hand weg.
    »Vergiss es, Alter. Wenn du ihn verschüttest, haben wir alle drei
miese Laune.«
    Er hält Camel die Flasche an den Mund, während der alte Mann fünf,
sechs Mal schluckt. Er sieht aus wie ein Baby, das die Flasche bekommt. Walter
dreht sich auf dem Absatz um und lehnt sich gegen die Wand. Dann nimmt er
selbst einen

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