Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
richtet sich auf. »So ist es besser, oder?«
Ich starre sie an. Oh, Gott. Richtig. Ich bin alt. Und ich bin im Bett.
Moment mal – ich habe sie Rosie genannt?
»Ich habe geredet? Laut?«
Sie lacht. »Liebe Güte, ja, Mr. Jankowski. Sie haben in einem fort
geredet, seit wir aus dem Speisesaal gekommen sind. Wie ein Wasserfall.«
Ich werde rot und schaue auf die verkrümmten Hände, die auf meinem
Schoß liegen. Gott weiß, was ich alles erzählt habe, ich weiß nur, woran ich
gedacht habe, und selbst das nur im Rückblick – bis ich mich plötzlich hier und
jetzt wiedergefunden habe, dachte ich, ich sei dort.
»Was ist denn los?«, fragt Rosemary.
»Habe ich … Habe ich etwas … Sie wissen schon, Peinliches gesagt?«
»Himmel, nein! Ich verstehe nicht, warum Sie es den anderen nicht
erzählt haben, wo doch alle zum Zirkus gehen. Aber ich wette, Sie haben es gar
nicht erwähnt, oder?«
Rosemary betrachtet mich erwartungsvoll. Dann runzelt sie die Stirn.
Sie zieht einen Stuhl heran und setzt sich neben mich. »Sie erinnern sich nicht
daran, mit mir geredet zu haben, oder?«, fragt sie sanft.
Ich schüttle den Kopf.
Sie umfasst meine Hände. Ihre Hände sind warm und straff. »Sie haben
nichts gesagt, wofür Sie sich schämen müssten, Mr. Jankowski. Sie sind ein
echter Gentleman, und es ist mir eine Ehre, Sie zu kennen.«
Mir steigen Tränen in die Augen, und ich senke den Kopf, damit sie
sie nicht sieht.
»Mr. Jankowski …«
»Ich möchte nicht darüber reden.«
»Über den Zirkus?«
»Nein. Über … Verdammt, verstehen Sie denn nicht? Ich wusste gar
nicht, dass ich etwas sage. Das ist der Anfang vom Ende. Von jetzt an geht es
nur noch bergab, und mein Weg ist sowieso nicht mehr lang. Aber ich hatte so
sehr gehofft, bei Verstand zu bleiben!«
»Sie sind doch noch bei Verstand, Mr. Jankowski. Sie sind völlig auf
Zack.«
Einen Moment lang sitzen wir schweigend da. »Ich habe Angst,
Rosemary.«
»Soll ich mit Dr. Rashid sprechen?«, fragt sie.
Ich nicke. Eine Träne fällt mir auf den Schoß. Ich reiße die Augen
weit auf, in der Hoffnung, die anderen so aufzuhalten.
»Sie müssen sich erst in einer Stunde fertig machen. Möchten Sie
sich etwas ausruhen?«
Erneut nicke ich. Sie tätschelt zum Abschied meine Hand, senkt das
Kopfteil meines Bettes und geht. Ich höre im Liegen dem Summen der Lampen zu
und betrachte die quadratischen Platten der Zwischendecke, eine breite Fläche
zusammengedrückten Popcorns oder fader Reisplätzchen.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, gab es bereits Anzeichen dafür,
dass ich nachlasse.
Als mich letzte Woche meine Familie besucht hat, habe ich sie nicht
erkannt. Allerdings habe ich so getan als ob – als sie auf mich zukamen und mir
klar wurde, dass sie meinetwegen hier waren, lächelte ich und machte die
üblichen beschwichtigenden Einwürfe, sagte »oh, ja« und »du meine Güte«, was
heutzutage meinen Anteil an den meisten Unterhaltungen ausmacht. Ich dachte,
ich schlage mich recht wacker, bis ein merkwürdiger Ausdruck über das Gesicht
der Mutter huschte. Sie wirkte entsetzt, ihre Stirn war gerunzelt, und ihr Mund
stand leicht offen. In Gedanken spulte ich die letzten Minuten der Unterhaltung
zurück und merkte, dass ich das Falsche gesagt hatte, das genaue Gegenteil von
dem, was ich hätte sagen sollen. Das war mir schrecklich peinlich, weil ich
nichts gegen Isabelle habe, ich kenne sie nur nicht; deshalb fiel es mir so
schwer, der Erzählung über ihre katastrophale Tanzvorführung in allen
Einzelheiten zu folgen.
Aber dann drehte diese Isabelle sich lachend herum, und in diesem
Moment sah ich meine Frau. Das brachte mich fast zum Weinen, und diese
Menschen, die ich nicht erkannte, warfen sich scheue Blicke zu und verkündeten
bald darauf, sie müssten jetzt gehen, weil Opa seine Ruhe bräuchte. Sie
tätschelten mir die Hand und strichen die Decke über meinen Knien glatt, und
dann gingen sie. Sie gingen hinaus in die Welt und ließen mich hier zurück. Und
ich habe bis heute keinen Schimmer, wer sie waren.
Meine Kinder erkenne ich, verstehen Sie mich nicht falsch – aber das
waren nicht meine Kinder. Das sind die Kinder meiner Kinder, und die
Kindeskinder, und vielleicht sogar deren Kinder. Habe ich ihnen als Babys
zugegurrt? Habe ich sie auf meinem Knie wippen lassen? Ich habe drei Söhne und
zwei Töchter, ein richtiges Full House, und sie haben sich alle nicht gerade
zurückgehalten. Multiplizieren Sie fünf mit vier und noch mal mit fünf,
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