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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Privatabteil zu duschen. Und als er herausfindet, dass Rosie Gin
und Ginger Ale lieber mag als alles andere, bis vielleicht auf Wassermelonen,
sorgt er dafür, dass sie beides bekommt, und zwar täglich. Er schmiegt sich an
sie. Er flüstert ihr ins Ohr, und sie sonnt sich in seiner Aufmerksamkeit und
trompetet fröhlich, wenn sie ihn sieht.
    Hat sie denn alles vergessen?
    Ich beobachte ihn genau, ich suche nach Schwachstellen, aber der
neue August hält sich. Es dauert nicht lange, bis sein Optimismus alle
ansteckt. Er überträgt sich sogar auf Onkel Al, der jeden Tag vorbeikommt, um
zu sehen, welche Fortschritte wir gemacht haben. Nach einigen Tagen bestellt Al
neue Plakate, auf denen Marlena auf Rosies Kopf sitzt. Er hört auf, Leute zu
prügeln, und wenig später hören die Leute auf, sich vor ihm zu ducken. Er wirkt
regelrecht vergnügt. Gerüchte sind im Umlauf, dass es am Zahltag tatsächlich
Geld geben wird, und sogar die Arbeiter lächeln gelegentlich.
    Erst als ich mitbekomme, wie Rosie unter Augusts liebevoller
Behandlung regelrecht schnurrt, fängt meine Überzeugung an zu bröckeln. Und was
mir dann stattdessen vor Augen steht, ist abscheulich.
    Vielleicht lag es an mir. Vielleicht wollte ich ihn hassen, weil ich
in seine Frau verliebt bin, und wenn das stimmt, was für ein Mensch bin ich
dann?
    In Pittsburgh gehe ich endlich zur Beichte. Ich breche im
Beichtstuhl zusammen und schluchze wie ein Baby, während ich dem Pfarrer von
meinen Eltern erzähle, meiner Nacht der Ausschweifungen und meinen Gedanken an
Ehebruch. Der einigermaßen schockierte Geistliche murmelt »Na, na, schon gut«,
trägt mir auf, den Rosenkranz zu beten und Marlena zu vergessen. Ich schäme
mich zu sehr, um zuzugeben, dass ich keinen Rosenkranz besitze, und frage
später Walter und Camel, ob sie einen haben. Walter bedenkt mich mit einem
merkwürdigen Blick, und Camel bietet mir eine Kette aus grünen Elchzähnen an.
    Ich bin mir völlig im Klaren über Walters Ansichten. Er hasst August
noch immer maßlos, und obwohl er nichts sagt, weiß ich genau, was er von meinem
Meinungswandel hält. Wir sorgen weiterhin gemeinsam für Camel, aber wir drei
tauschen während der langen Nächte unterwegs keine Geschichten mehr aus. Stattdessen
liest Walter Shakespeare, während Camel sich betrinkt, schlechte Laune bekommt
und immer anspruchsvoller wird.
    In Meadville beschließt August, der richtige Moment sei
gekommen.
    Als er die gute Nachricht verkündet, ist Onkel Al sprachlos. Er
schlägt sich mit der Hand an die Brust und lenkt den tränenverschleierten Blick
himmelwärts. Sein Gefolge duckt sich, als Al ausholt, um August an der Schulter
zu packen. Mit einer männlichen Geste schüttelt er ihn einmal durch, und da er
offenbar zu überwältigt ist, um etwas zu sagen, schüttelt er ihn noch einmal.
    Ich untersuche gerade einen gespaltenen Huf im Schmiedezelt, als
August mich rufen lässt.
    »August?« Ich halte den Kopf direkt vor den Eingang von Marlenas
Garderobenzelt. Er bauscht sich leicht auf und flattert im Wind. »Du wolltest
mich sehen?«
    »Jacob!«, ruft er mit dröhnender Stimme. »Wie schön, dass du kommen
konntest! Komm doch rein! Nur herein, mein Junge!«
    Marlena sitzt in ihrem Kostüm am Schminktisch. Sie stützt einen Fuß
auf die Tischkante, während sie sich das lange, pinkfarbene Band eines
Schläppchens um den Knöchel bindet. August sitzt mit Zylinder und Frack neben
ihr. Er wirbelt einen Stock mit silberner Spitze herum. Der Griff ist gebogen,
wie bei einem Elefantenhaken.
    »Bitte, setz dich«, sagt er, steht auf und klopft auf die Sitzfläche
seines Stuhls.
    Den Bruchteil einer Sekunde lang zögere ich, dann durchquere ich das
Zelt. Sobald ich mich gesetzt habe, stellt August sich vor uns. Ich werfe
Marlena einen Blick zu.
    »Marlena, Jacob – mein teuerster Liebling, und mein teuerster
Freund«, sagt August und setzt mit feuchten Augen den Zylinder ab. »Die
vergangene Woche war in so vielfältiger Hinsicht erstaunlich. Ich glaube, man
kann sie ohne Übertreibung eine Pilgerfahrt der Seele nennen. Vor gerade einmal
zwei Wochen stand diese Show am Rande des Ruins. Ihr Überleben – und, wie ich
bei unserem finanziellen Klima wohl behaupten kann, das Leben selbst, das
nackte Leben! – von jedem hier bei der Show waren in Gefahr. Und wollt ihr
wissen, warum?«
    Mit leuchtenden Augen blickt er von mir zu Marlena und wieder
zurück.
    »Warum?«, fragt Marlena gehorsam, hebt das andere Bein und wickelt
sich das

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