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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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langen Zug.
    »Was ist los, ist der Whiskey nichts für dich?«, fragt er, wischt
sich über den Mund und deutet auf die geschlossene Flasche in meiner Hand.
    »Doch, schon. Hör mal, ich habe kein Geld, deshalb weiß ich nicht,
wann ich das wiedergutmachen kann, oder ob überhaupt, aber kann ich die hier
haben?«
    »Ich hab sie dir doch schon gegeben.«
    »Nein, ich meine … kann ich sie jemandem geben?«
    Walter mustert mich und kneift die Augen zusammen. »Einer Frau,
oder?«
    »Nein.«
    »Du lügst.«
    »Nein, tue ich nicht.«
    »Ich wette fünf Mücken, dass es um eine Frau geht«, sagt er und
nimmt noch einen Schluck. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab, und der Pegel des bräunlichen
Getränks sinkt um gut zwei Zentimeter. Es ist erstaunlich, wie schnell er und
Camel sich Hochprozentiges hinter die Binde kippen können.
    »Weiblich ist sie schon«, sage ich.
    »Ha!«, schnaubt Walter. »Das lass sie lieber nicht hören. Aber egal,
wer oder was sie ist, es ist auf jeden Fall besser, als das Mädchen, um das
deine Gedanken sonst so kreisen.«
    »Ich habe einiges wiedergutzumachen«, sage ich und übergehe seine
Anspielung. »Ich habe sie heute im Stich gelassen.«
    Plötzlich versteht Walter.
    »Wie wär’s mit noch ’nem bisschen?«, wirft Camel verstimmt ein.
»Vielleicht will er ja nichts, aber ich schon. Kann schon verstehen, dass der
Bursche was erleben will. Man ist ja nur einmal jung. Man muss es sich holen,
solange es geht, sag ich immer. Genau, hol’s dir, solange es geht. Auch wenn es
dich ’ne Flasche Schnaps kostet.«
    Walter lächelt. Er hält Camel die Flasche noch einmal an den Mund
und lässt ihn mehrere tiefe Schlucke trinken. Dann dreht er sie zu, beugt sich
vor, ohne aufzustehen, und hält sie mir hin.
    »Nimm ihr die auch mit. Sag ihr, dass es auch mir leid tut. Sehr leid
sogar.«
    »He!«, ruft Camel. »Keine Frau ist zwei Flaschen Whiskey wert! Kommt
schon!«
    Ich stehe auf und stecke die Flaschen in meine Jackentaschen.
    »Och, kommt schon!«, fleht Camel. »Das ist nicht fair.«
    Seine Bitten und Beschwerden verfolgen mich, bis ich außer Hörweite
bin.
    Es dämmert, und in mehreren Artistenabteilen laufen bereits
Partys, unter anderem auch in Marlenas und Augusts Wagen. Ich wäre nicht
hingegangen, aber es ist bezeichnend, dass ich nicht eingeladen wurde. August
und ich sind wohl wieder auf Abstand gegangen. Genauer gesagt: Da ich ihn
bereits mehr hasse, als ich jemals irgendwen anders gehasst habe, müsste es
wohl heißen, dass er wieder auf Abstand zu mir gegangen ist.
    Rosie ist hinten in der Menagerie, und als meine Augen sich an das
Dämmerlicht gewöhnt haben, erkenne ich, dass jemand neben ihr steht. Es ist
Greg, der Mann aus dem Kohlkopfbeet.
    »He«, begrüße ich ihn.
    Er wendet mir den Kopf zu. In der Hand hält er eine Tube mit
Zinksalbe, die er auf Rosies durchlöcherte Haut tupft. Allein auf dieser Seite
sind mehrere Dutzend weißer Flecken.
    »Großer Gott«, sage ich. Blutstropfen und Histamin quellen unter dem
Zink hervor.
    Sie blickt mich aus ihren bernsteinfarbenen Augen an. Dann blinzelt
sie mit ihren unglaublich langen Wimpern und stößt durch ihren enormen Rüssel
einen langgezogenen, rasselnden Seufzer aus.
    Ich fühle mich so schuldig.
    »Was willst du?«, knurrt Greg, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
    »Ich wollte sehen, wie es ihr geht.«
    »Das siehst du doch wohl, oder? Wenn sonst nichts ist …« Damit will
er mich fortschicken und wendet sich wieder Rosie zu. » Noge˛ «,
sagt er. » No, daj noge˛ !«
    Einen Moment später hebt sie einen Fuß hoch und hält ihn vor sich.
Greg kniet sich hin, um etwas Salbe unter ihre Achsel zu tupfen, direkt vor
ihre sonderbare, graue Brust, die wie beim Menschen oben am Brustkorb sitzt.
    » Jestes´ dobra˛ dziewczynka «, sagt er,
steht auf und schraubt die Tube zu. » Po ł o ż noge˛ .«
    Rosie stellt den Fuß auf den Boden. » Masz, moja
pie˛kna «, sagt er und greift in seine Tasche. Sie schwingt neugierig
ihren Rüssel herum. Er holt ein Pfefferminz hervor, wischt die Flusen ab und
hält ihn ihr hin. Sie nimmt es ihm geschickt aus den Fingern und steckt ihn
sich ins Maul.
    Ich bin wie vom Donner gerührt, ich glaube, mir steht sogar der Mund
offen. Innerhalb von zwei Sekunden überschlagen sich meine Gedanken, von ihrem
Widerwillen zu arbeiten über ihren früheren Besitzer, mit dem sie durch die
Gegend getingelt ist, und den Diebstahl der Limonade bis hin zum Kohlkopfbeet.
    »Herr im Himmel«, sage

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