Wasser zu Wein
Weinerziehung.« Sie hatte gekichert. »Mit wenig Erfolg, fürchte ich.« Susanne Eggers hatte Grübchen in den Wangen, wenn sie lächelte. Die junge Frau war angehende Betriebswirtin und ließ sich wahrscheinlich wenig vormachen.
»Und wer stand links von Ihnen?«
Panitz zögerte. »Walter Prior, glaube ich.« Gestern war ihm das noch nicht eingefallen.
»Und Sie wollten gerade Frau Staatsanwältin Stark begrüßen …?« fragte Kosinski weiter.
Karen lächelte. »Außer Dienst, Herr Hauptkommissar!« murmelte sie.
»Wie ich bereits sagte …«
»Und Sie merkten nicht …«
»Doch.« Panitz wurde immer gereizter. »Ich merkte, wie sich jemand hinter mir durch die Menschenmenge drängte. Ich glaube, Prior sagte irgend etwas zu Susanne. Und dann …« Dann – Panitz zögerte. Kosinski wartete. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Michael sich mit dem Drehbleistift an die Unterlippe schlug und dabei Karen Stark anstarrte. Am liebsten hätte er ihn geschüttelt und ihm »Glotz nicht so. Das fällt auf« zugerufen.
»Dann habe ich jemanden flüstern hören.« Panitz wand sich fast in seinen Kissen.
Raus damit, Mann, dachte Kosinski mit wachsender Ungeduld. »Und Sie erinnern sich womöglich auch wieder daran, was da geflüstert wurde?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Dann reden Sie mal ins Unreine.«
»›Für Eva‹«, sagte Panitz mit belegter Stimme, setzte sich auf, räusperte sich und setzte noch mal an. »›Für Eva‹, hat jemand hinter mir geflüstert. Dann kam der Stoß. Aber vielleicht – vielleicht habe ich mir das alles auch nur eingebildet.«
Für Eva, dachte Kosinski. Schau mal einer an. »Und was könnte damit gemeint sein, Herr Panitz?«
»Eva hieß meine Schwester. Eva Lambert. Sie wissen schon.«
Karen Stark lächelte, was Kosinski völlig unangebracht fand. Sie hatte vorhin auf dem Krankenhausflur darauf bestanden, einen Zusammenhang zwischen Eva Lamberts Tod und den anderen Todesfällen zu konstruieren. Kosinski sah keinen. Bei aller Liebe!
»Und warum sollte Ihnen jemand ›für Eva‹ ein Messer in die Seite stoßen?«
Panitz schüttelte den Kopf. »Wenn ich das bloß wüßte …«
»Hatten Sie – irgend etwas zu tun mit ihrem Tod? Oder sagen wir besser: Könnte irgend jemand das annehmen?«
»Ich?«
Der Patient im Bett neben Panitz nahm seinen Kopfhörer ab und guckte beunruhigt herüber.
»Ich?« sagte Panitz nochmal, jetzt leiser. »Ich habe sie geliebt, verdammt.« Der Mann hatte Tränen in den Augen. »Fragen Sie lieber mal die anderen!«
»Gern. Aber wen, Herr Panitz?«
»Alle!« Jetzt flüsterte Panitz. »Alle! Und ich werde sie das niemals vergessen lassen!« Er griff zum Wasserglas auf dem Nachttischchen neben dem Bett. Seine Hände zitterten, als er trank.
»Sie ist in den Wochen vor ihrem Tod zu allen hingegangen, zu all den feigen Halunken, die heute nichts mehr davon wissen wollen, wie sie sich damals um sie gerissen haben. Um die hübsche kleine Eva, die bequemerweise nicht nein sagte, wenn man mit ihr in den Weinberg gehen wollte. Oder in den Küferkeller. Oder in die Jagdhütte. Und heute will es keiner gewesen sein.« Panitz trank wieder und stellte das Glas ab.
»Sie haben sie alle gehabt, unsere Helden – Corves. Und Prior. Und Chevaillier. Und die beiden Bessenauers. Und als sie Hilfe brauchte, haben sich alle gedrückt. ›Ich habe Frau und Kind‹, hat der eine gesagt« – Panitz äffte die Stimme von Christoph Corves nach. »Und der andere hat ihr vorgeschlagen, die Vergangenheit doch endlich zu vergessen.«
»Hat sie Ihnen das erzählt?«
Panitz nickte.
»Und was wollte sie von ihren früheren Liebhabern?«
»Ich weiß es nicht.« Der Mann im Krankenhausbett klang unendlich müde. »Vielleicht ein bißchen etwas von der alten Liebe. Der alten Bewunderung.«
»Was ist nur aus ihr geworden, August?« Bremer war schon die ganze Zeit unruhig gewesen. Jetzt platzte er dazwischen. »Wie ist das passiert?«
Normalerweise schätzte Kosinski solche Einmischungen nicht. Aber vielleicht nützte es ja was in diesem Fall. Panitz strich mit langen, schmalen Fingern die Bettdecke über seiner Brust glatt, guckte an Bremer vorbei zum Fenster hinaus und antwortete nicht. Nach einer Weile sagte er leise: »Vielleicht haben wir sie zu sehr geliebt.«
Als Paul wieder etwas sagen wollte, warf Kosinski ihm einen warnenden Blick zu. Bremer schloß gehorsam den Mund.
»Eva war der Abgott meiner Eltern. Sie war schön, sie war klug – und sie würde alles
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