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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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GAU für jeden Gastronomen, wie Sebastian behauptet hatte.
    »Um Himmels willen.« Der Wirt stöhnte laut auf. »Herr Penibel.«
    Von der Lotte neigte kurz das Haupt, während er straff aufgerichtet an ihnen vorbeischritt.
    Panitz nickte besonders höflich zurück. »Den hast du gut abgefüllt«, murmelte er.
    »Besoffen? Schon wieder?« Sebastian stöhnte noch einmal. Dann drehte er sich um und hob drei Finger in Richtung von Martin, der noch immer hinter der Bar stand und nichts zu tun hatte: »Malt Whisky«, sagte er.

3
    Der Tod Alain Chevailliers überraschte ihn nicht, nein, das überraschte ihn gar nicht: die permanente Völlerei, das Übergewicht und die Lust auf Blondinen – das mußte in der Summe jedem Mann in diesem Alter zum Verhängnis werden. Ja, Maximilian von der Lotte spürte sogar eine gewisse Genugtuung beim Gedanken an die Leiche: Das hast du nun davon, Alain. Und du bist der nächste, wenn du so weitermachst, hatte er gedacht, als er mit geradem Rücken an Panitz vorbeigegangen war, der zusammen mit Sebastian Klar und einem weiteren Gast mit auffallend kurzen weißen Haaren im Flur hinter dem Saalausgang stand. Fast wäre er bei diesem Gedanken gestolpert. Aber er hatte sich sofort wieder gefangen.
    Er jedenfalls hatte kein Übergewicht. Er drehte sich, oben angekommen, zufrieden vor dem Garderobenspiegel. Man hatte ihm das Eckzimmer reserviert – wie immer, seit er seine Wünsche diesbezüglich einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Er brauchte ein geräumiges Zimmer, am besten eine Suite. Weil er Bewegung brauchte, wenn er dachte. Er brauchte ein Sofa oder eine Liege. Weil er sich manchmal hinlegen mußte, wenn er dachte. Er benötigte Licht und Luft, einen Balkon und einen Südwestblick auf den Rhein. Weil er Schönheit brauchte, wenn er dachte. Und seitdem er einmal ein größeres Problem mit der Kanalisation verursacht hatte, als er die Blumendekoration, die auf dem Couchtisch stand, in die Toilette geworfen hatte – natürlich hatte er sich für diesen spontanen Verzweiflungsakt am nächsten Tag entschuldigt! –, seither verschonte man ihn mit solcherlei unerwünschten Annehmlichkeiten. Die Seife war selbstverständlich unparfümiert, die man ihm ins Badezimmer legte. Na bitte, es ging doch – wenn man nur wollte.
    Das Bett war aufgeschlagen, wie es sich gehörte, sein Pyjama lag bereit. Er goß sich ein Glas Sherry aus der Karaffe auf der Biedermeierkommode ein und stellte es aufs Nachttischchen. Dann zog er sich aus, schlüpfte in den Pyjama, legte sich ins Bett und stopfte sich ein zweites Kissen hinter den Rücken. Mit dem Glas Sherry in der Hand widmete er sich der Lektüre von »La Vie«, der Zeitschrift der Konkurrenz, einem blamablen Blättchen, wie er fand, dessen Chefredakteur nichts und dessen Autoren gar nichts von Lebensart verstanden.
    Darüber mußte er eingeschlafen sein, denn als er hochschreckte, war es auf seinem Reisewecker vier Uhr früh. Seine Hand umklammerte noch immer das Sherryglas, sein Kopf schmerzte, sein Herz raste, und über ihm war die grell leuchtende Leselampe ganz heiß geworden. Er stellte das Glas weg, knipste das Licht aus und war plötzlich beunruhigt. Es war ihm in der letzten Zeit öfter passiert, daß er eingeschlafen war – im Sessel, auf dem Sofa, im Bett. Wie vom Schlag getroffen. Dem Schöpfer sei Dank, daß er nicht rauchte. Mit brennender Zigarre in der Hand in den Tiefschlaf fallen – nicht auszudenken.
    Er wälzte sich zur Seite und versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen. Nach drei, vier extratiefen Atemzügen merkte er, daß ihm schwach wurde. Dann spürte er, wie sich sein Magen aufbäumte. Fast hätte er es nicht mehr geschafft ins Badezimmer. Laut stöhnend kniete er schließlich vor der Kloschüssel, in der unwürdigsten aller Positionen, und gab wieder von sich, was er den ganzen Abend in sich hineingeschüttet hatte.
    Als der Kreisel in seinem Kopf sich endlich ausgekreiselt hatte und er stehen konnte, ohne sofort wieder zur Toilette stürzen zu müssen, tastete er sich ins Bett zurück. Dort überfiel ihn nicht der Schlaf, sondern wie ein Hammerschlag die in grellen Farben ausgemalte Szenerie des vergangenen Abends. Er hatte sich lächerlich gemacht – und das auch noch vor den Augen von August M. Panitz. Er hatte zuviel getrunken, er hatte kostbaren Wein verschüttet, er war beleidigt worden, und er hatte sich noch nicht einmal gewehrt. Hilflos war er dem größeren Mann unterlegen – wie früher, auf dem

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