Wasser
Küsten heranwachsen und zwei Drittel der Menschheit nicht weiter als fünfzig Kilometer vom Meer entfernt leben.
Die Tampa-Bucht ist ein typisches Beispiel für solch eine Küstenstadt, wenngleich sie wohlhabender als die meisten anderen ist. In den letzten Jahren berichteten die örtlichen Zeitungen regelmäßig über lokale Auseinandersetzungen über Wasser. Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage würde immer breiter. Die städtische Region produziert nicht genügend Wasser, um den steigenden Bedarf zu befriedigen, während gleichzeitig zu viel Grundwasser heraufgepumpt wird. Nach Aussage der Behörden ist die Wassersituation auf lange Sicht höchst problematisch und in Trockenperioden gestaltet sich die Lage jedes Mal sehr ernst. Deshalb wurde der Bau der größten Meerwasserentsalzungsanlage der USAvon öffentlicher Seite unterstützt. Die Technologie beruht auf dem Prinzip der umgekehrten Osmose, bei dem Salzwasser mit großem Druck durch Membranen gepresst wird. Auf der einen Seite bleibt Salz zurück, während auf der anderen klares, trinkbares Süßwasser herausläuft.
Ken Heard, der Direktor der Tampa-Anlage, führt mich herum und erklärt, dass diese für eine Tagesproduktion von 37 000 Kubikmeter Wasser geplant war, ihre Leistung jedoch bei Bedarf auf bis zu 95 000 Kubikmeter Wasser täglich erweitert werden kann. Die Anlage besteht aus der eigentlichen Entsalzungsfabrik mit sieben getrennten umgekehrten Osmosesystemen und den dazugehörigen Komponenten, einer Seewasser-Aufnahmestation, einem Ablaufsystem für die Salzlake, zahlreichen Lagerstätten für chemische Zusatzstoffe sowie einem 24 Kilometer langen Leitungsnetz für das produzierte Süßwasser. Das frische Wasser wird in einem 20 000 Kubikmeter fassenden Tank innerhalb der Anlage aufbewahrt, bevor es zu den Verteilerstationen in der Stadt weitergeleitet wird.
Heard erzählt mir, dass die Anlage mit einigen Problemen zu kämpfen hatte und deshalb erst verspätet ans Netz gehen konnte. 70 Sein leicht gequälter Gesichtsausdruck rührt zweifellos von all den Schwierigkeiten, die die Fabrik zu bewältigen hatte und die er mir detailliert schildert. Aber trotz allem, oder vielleicht gerade deswegen, wirkt seine Überzeugung, hier nicht nur für die Tampa-Bucht, sondern für alle Küstenstädte mit Wassermangel etwas Großartiges aufzubauen, umso authentischer.
Und er hat völlig recht: Die Entsalzung lässt sich wohl kaum als technologische Sackgasse bezeichnen. Die Unsicherheit über künftige Niederschlagsmengen sowie der Zustand der Wasserbänke in den Gebirgen macht die Entsalzung zu einer überaus anziehenden Lösung, zumal dadurch unabhängig von Hochwasser oder Trockenheit Wasser produziert werden kann.
Da der Preis für Wasser ohnehin steigt, ist die Konkurrenzfähigkeit der Entsalzungstechnologie inzwischen gegeben. Deshalbbin ich davon überzeugt, dass der Mensch in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, Wasser günstig zu produzieren.
Die preiswerte Erzeugung von Wasser wird ungeahnte Folgen für die Entwicklung der Städte haben. Die Attraktivität der Küstenstädte wird zunehmen. Wenn diese in der Lage sind, eigenes Wasser zu produzieren, werden sie wie ein Magnet noch mehr Menschen – auch Umweltflüchtlinge aus trockenen Regionen – anziehen. Der Versuch, billiges Trinkwasser aus dem Meer zu gewinnen – von Israel bis zum Arabischen Golf, von China bis in die USA –, will den Traum verwirklichen, natürliche Beschränkungen zugunsten gesellschaftlicher Entwicklung zu überwinden. Sind diese Bemühungen eines Tages von Erfolg gekrönt, werden sich die Prophezeiungen über eine globale Wasserkrise relativieren oder an manchen Orten sogar als Spuk erweisen. Ein geregelter und vorhersehbarer Zugang zu Wasser könnte dann Städte und Gesellschaften, die einst von natürlichen Schwankungen des Wasserkreislaufs betroffen waren, als historisch erscheinen lassen. Mittlerweile gibt es sogar Überlegungen, den Bau vieler Meerwasserentsalzungsanlagen als Gegenmittel zu steigenden Meeresspiegeln wirken zu lassen: Durch die Entnahme von Salzwasser aus strategisch betroffenen Meeresregionen sowie dessen Umwandlung in Trinkwasser könnte der Wasserstand in den entsprechenden Meeren in Schach gehalten werden.
In den letzten Jahren hat ein beachtlicher technologischer Fortschritt stattgefunden. Jeder, der einmal auf einem modernen Segelboot war, weiß um die Möglichkeit, eigenes Trinkwasser zu produzieren. Als Reisender auf solch einem
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