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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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schließlich von kilometerlangen, schnurgeraden Wasserwegen unterbrochen, die die Regierung hat ausgraben lassen. Einige Male kreisen wir über der Pumpstation, mit der die vom Nil produzierte Energie genutzt werden soll, um das Wasser in die Wüste zu pumpen. Die nach dem ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak benannte Pumpstation ist das Herz des Projektes. Dessen Ziel ist es, eben jene Wüste zu bewirtschaften, aus der die ersten Ägypter kamen, nachdem sie vor mehr als 6000 Jahren von der Sahara her eingewandert waren – eine Sahara, die zu jener Zeit grün war und von umherstreifenden Giraffen und Elefanten bevölkert wurde.
    Wo immer man den Nil in Ägypten aufsucht, kann man sehen, wie die Ägypter den Fluss einst genutzt haben. 71 Nicht lange nachdem die Ägypter aus der Wüste eingewandert waren, fanden sie Wege, das Wasser aus dem Nil für die Bewässerung der Wüste zu nutzen. Über Jahrtausende verwendeten sie
saqiya
und
shaduf
, ein von Tieren angetriebenes System aus Rädern und Schaufeln, sowie die Archimedische Schraube, eine Art Schneckenpumpe. Dadurch konnten nur geringe Wassermengen pro Tag gewonnen werden. Heutzutage steht an den Ufern des künstlichen Sees eine riesige Pumpstation. Auch diese soll Nilwasser in die Wüste leiten, allerdings in weitaus größerem Umfang, um eine Vision zu verwirklichen, die einer Revolution in der ägyptischen Geschichte gleichkäme: ein neues Niltal.
    Die Pumpstation arbeitet nur einige Kilometer von Abu Simbel entfernt, einer der weltweit bekanntesten Sehenswürdigkeiten: Tempelanlagen, die vor 3000 Jahren in Oberägypten aus dem Fels gehauen wurden. Als der Nassersee mit seinen Wassermassen sie an ihrem ursprünglichen Standort bedrohte, wurden sie unter Leitung der UNESCO Stein für Stein abgetragen und stehen heute in all ihrer beeindruckenden Pracht an anderer Stelle. Pharao Ramses II., der sechs Frauen und 100 Kinder hatte, ließ dieses in seiner Selbstverherrlichung wohl kaum zu überbietende Bauwerk errichten. Vor dem Eingang stehen vier mehr als zwanzig Meter hohe Statuen des Herrschers, im Tempel selbst befinden sich weitere Abbilder desPharaos. An der Eingangsfront ist ein Relief der Nilgötter angebracht, die Ober- und Unterägypten einst vereinten, und die in der Darstellung auf afrikanischen und asiatischen Sklaven herumtrampeln. In Ägypten wird gemunkelt, dass das Toshka-Projekt Mubaraks Pyramide gewesen sei.
    »Etwas Ähnliches habe ich noch nie zuvor gesehen. Die Mubarak-Pumpstation ist einzigartig.« Der englische Leiter der Firma Skanska, die die Pumpstation gebaut hat, kann seinen Stolz kaum verbergen. Ich treffe ihn in einem Pub in der Nähe der Anlage, in dem britische Arbeiter durch Billardtische und über Satellit empfangene Premier-League-Spiele versucht haben, ein Gefühl von
britishness
in der Sahara nachzuempfinden. Er leitet eine Gruppe erfahrener Experten, die von Land zu Land fahren, um große Infrastrukturprojekte zu bauen, doch selten das große Wort führen. »Die Pumpstation kann einen neuen Nil in die Wüste hineinpumpen«, sagt er.
    Das rechteckige Gebäude, das 2002 fertiggestellt wurde, ist nicht weniger als ein von Menschen erschaffener Geburtshelfer für das künstliche Flusstal. Jedes Jahr kann die Station fünf Milliarden Kubikmeter Wasser in die Wüste pumpen. Die Generatoren am Ausgang des Assuan-Damms versorgen die 21 Pumpen mit Strom, mit denen der Nil sich sozusagen selbst in die Wüste hineinpumpt. Das Wasser wird über einen in 50 Metern Tiefe liegenden Auffangkanal zu den Pumpen geführt. Der Hauptkanal ist 50 Kilometer lang, sieben Meter tief, am Grund 30 Meter und an der Oberfläche 58 Meter breit. Er gehört zu einem hunderte Kilometer langen Kanalsystem. In dessen Reichweite sollen Städte gebaut, Industrieanlagen errichtet und auf Export ausgerichtete Landwirtschaft angesiedelt werden. Man träumt von einer blühenden Wüste und zehn neuen Industriezonen. In der westlichen Wüste beläuft sich die Landwirtschaftsfläche auf 30 000 Quadratkilometer. In der Anfangsphase des Projektes sollen an die 4000 Quadratkilometer zusätzlich bewässert werden, wobei sich die gesamte Anlage über 300 Kilometer in die Wüste hineinzieht. Bei Abschluss der zweitenPhase im Jahr 2017 soll der Kanal gen Norden bis in die neue Hauptstadt der Wüstenregion – New Valley Governorate – führen. Bis dahin ist vorgesehen, weitere 1600 Quadratkilometer zu bewirtschaften. Wenn das Projekt im Jahr 2020 fertig ist, sollen hier mehr

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