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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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wieder den nächsten und den nächsten danach. Er führte sein Schiff immer weiter. Es gab Meuterei und Desertion, Gefahren mußten bewältigt werden, und Kleronomas wurde mit allem fertig. Als Cyborg verfügte er über ein ungeheuer langes Leben. Die Legende sagt, daß er im Laufe dieser Reise immer metallischer wurde, und auf Eris entdeckte er den Urkristall und erweiterte seine intellektuellen Fähigkeiten um ein beträchtliches Maß, indem er sich den ersten Urkristall-Computer einsetzen ließ. Dieser Vorgang kennzeichnet genau seinen Charakter. Er war nicht nur davon besessen, Wissen zu erwerben, sondern es auch zu bewahren. Nach dieser Veränderung würde er niemals mehr etwas vergessen.
    Als er schließlich wieder nach Avalon zurückkehrte, waren mehr als hundert Standardjahre vergangen. Von den Männern und Frauen, die zusammen mit ihm von Avalon aufgebrochen waren, war er der einzige Überlebende; sein Schiff war bemannt mit den Nachkommen der ursprünglichen Mannschaft und zusätzlichen Leuten, die er auf den Welten, die er besucht hatte, angeworben hatte. Er hatte vierhundertneunundvierzig Planeten erforscht und mehr Asteroiden, Kometen und Monde, als es irgend jemand im Traum für möglich gehalten hätte. Die Informationen, die er mitbrachte, wurden zum Grundstock, auf dem die Akademie des Menschlichen Wissens aufbaute, und die Kristalle, die in die existierenden Systeme eingegliedert wurden, bildeten das Medium, in dem dieses Wissen gespeichert wurde. Langsam entwickelte es sich zu der umfassenden künstlichen Intelligenz der Akademie, und schließlich entstanden daraus die sagenumwobenen Kristalltürme von Avalon. Die Wiederaufnahme der interstellaren Raumfahrt auf breiter Basis, die kurz darauf erfolgte, bedeutete die endgültige Beendigung der Zwischenphase. Kleronomas war der erste Leiter der Akademie, und zwar bis zu seinem Tod, der ihn vermutlich anno rediti 42 auf Avalon ereilte, also zweiundvierzig Standardjahre nach dem Tag seiner Rückkehr.«
    Ich lachte. »Hervorragend«, lobte ich Alta-k-Nahr. »Also ist er ein Schwindler. Seit mindestens siebenhundert Jahren tot.« Ich sah zu Khar Dorian hinüber, dessen langes, seidiges Haar sich über das Kopfkissen breitete und der auf einem Kanten meines in Met getauchten Brotes herumkaute. »Du bist im Irrtum, Khar. Er hat dich getäuscht.« Khar schluckte und grinste. »Wie du meinst, Weisheit«, sagte er in einem Ton, der mich erkennen ließ, daß er alles andere als zerknirscht war. »Soll ich ihn für dich töten?«
    »Nein«, sagte ich. »Er ist ein Mitspieler. Im Seelenspiel gibt es keine Möglichkeit zu schummeln. Laß ihn spielen. Laß ihn nur spielen!«
     
    Einige Tage später, als der Plan für das Spiel festgelegt wurde, ließ ich den Cyborg zu mir rufen. Ich empfing ihn in meinem Büro, einem großen Raum mit dicken dunkelroten Teppichen, wo meine Glasblume an einem großen Fenster steht, das über die Zinnen meiner Burg hinweg die Sumpfsiedlung darunter überblickt.
    Sein Gesicht war ausdruckslos. Natürlich. Natürlich.
    »Du hast mich rufen lassen, Cyrene von Asch.«
    »Der Spielplan steht fest«, erklärte ich ihm. »Es beginnt heute in vier Tagen.«
    »Das freut mich«, sagte er.
    »Möchtest du die Gewinne in Augenschein nehmen?« Ich reichte ihm die Unterlagen; den Knaben, das Mädchen, den Brütling.
    Er warf einen flüchtigen Blick darauf, ohne Interesse.
    »Man hat mir berichtet«, sagte ich, »daß du in den letzten Tagen viel Zeit damit zugebracht hast herumzuwandern, sowohl innerhalb meiner Burg, als auch außerhalb in der Stadt und in den Sümpfen.«
    »Das stimmt«, sagte er. »Ich schlafe nicht. Wissen zu sammeln ist meine Zerstreuung, meine Sucht. Ich war begierig zu erfahren, was für ein Ort das hier ist.«
    Lächelnd fragte ich ihn: »Und was für ein Ort ist es, Cyborg?«
    Er konnte weder lächeln noch die Stirn runzeln. Sein Ton war gleichmäßig, höflich. »Ein abscheulicher Ort«, sagte er. »Ein Ort der Verzweiflung und Erniedrigung.«
    »Ein Ort der ewigen, unsterblichen Hoffnung«, sagte ich.
    »Ein Ort der Krankheit des Körpers und der Seele.«
    »Ein Ort, an dem die Kranken gesund werden«, entgegnete ich.
    »Und an dem die Gesunden krank werden«, sagte der Cyborg. »Ein Ort des Todes.«
    »Ein Ort des Lebens«, sagte ich. »Bist du nicht deswegen hergekommen? Wegen des Lebens?«
    »Und wegen des Todes«, sagte er. »Ich habe es dir schon erklärt, beides ist dasselbe.«
    Ich beugte mich vor. »Und ich habe

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