Wassermans Roboter
zurückzurufen.«
Ich war fasziniert. »Du kannst also nicht vergessen«, sagte ich.
»Ich kann Erinnerungen löschen«, sagte er. »Oder ich kann beschließen, mich nicht zu erinnern.«
»Wenn du zu den Gewinnern in unserem kleinen Seelenspiel gehörst, wirst du deine Geschlechtlichkeit wiedererlangen.«
»Dessen bin ich mir bewußt. Es wird eine interessante Erfahrung sein. Vielleicht habe ich dann Lust, die alten Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.«
»Ja«, sagte ich entzückt. »Du wirst anfangen, Gebrauch davon zu machen, und genau in dem Moment wirst du anfangen, sie zu vergessen. Der Verlust, Cyborg, wird also genau so groß wie der Gewinn sein.«
»Gewinnen und verlieren. Leben und sterben. Ich habe es dir doch gesagt, Cyrene, man kann die beiden Dinge nicht trennen.«
»Damit bin ich nicht einverstanden«, sagte ich. Das berührte den Kern meines Glaubens, meines Seins; die Wiederholung dieser Lüge ärgerte mich. »Braje sagt, Drogen und Krankheiten können dir nichts anhaben. Das liegt auf der Hand. Du kannst jedoch auseinandergenommen werden. Mehrere meiner Apostel haben sich bereitwillig angeboten, auf meinen Befehl hin sich mit dir zu beschäftigen. Meine Fremdweltler sind anscheinend besonders blutrünstig.«
»Ich besitze kein Blut«, sagte er ungerührt. Machte er sich lustig über mich? Oder bildete ich mir das nur ein?
»Deine Schmierflüssigkeit reicht auch«, sagte ich ebenso trocken. »Tr’k’nn’r möchte deine Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, testen. AanTerg Mondzähler, mein g’vhernischer Aerologe, hat vorgeschlagen, dich aus großer Höhe fallen zu lassen.«
»Das wäre nach den Grundsätzen der Nest-Gemeinschaft ein grobes Vergehen.«
»Ja und nein«, sagte ich. »Ein nestgeborener g’vhernischer Aerologe wäre sicher entsetzt über die Vorstellung, daß man das Fliegen für einen solchen Zweck mißbrauchen könnte. Mein Apostel wäre aber andererseits noch entsetzter über die Vorstellung, wie man der Natur ins Handwerk pfuschen kann. Wenn sich seine geölten lederartigen Flügel entfalten, kommt die Seele eines halbidiotischen Krüppels aus Neu-Rom zum Vorschein. Wir befinden uns hier auf Croan’dhenni. Wir sind nicht das, was wir zu sein scheinen.«
»Diesen Eindruck hat man in der Tat.«
»Jonas hat ebenfalls angeboten, dich zu zerstören, wenn auch auf eine etwas weniger dramatische, aber deswegen nicht weniger wirkungsvolle Weise. Er ist der größte meiner Apostel. Aufgrund aus der Kontrolle geratener Drüsen ist er ins Riesenhafte gewachsen. Er dient als Schutzheiliger hochentwickelter Automatikwaffen und Chef meiner Sicherheitsabteilung.«
»Offensichtlich hast du all diese Angebote in den Wind geschlagen«, sagte der Cyborg.
Ich lehnte mich zurück. »Offensichtlich«, bestätigte ich. »Obwohl ich mir das Recht vorbehalte, meine Entscheidung jederzeit zu revidieren.«
»Ich bin Spieler«, sagte er. »Ich habe Khar Dorian bezahlt, habe die Hafenwachen von Croan’dhenni bestochen, habe deinem Majordomus und dir selbst Geld gegeben. In eingeweihten Kreisen auf Lilith und Cymeranth und Würg und anderen Welten, in denen man von diesem schwarzen Palast und seiner halbmythischen Meisterin spricht, sagt man, daß die Spieler hier fair behandelt werden.«
»Stimmt nicht«, sagte ich. »Ich bin niemals fair, Cyborg. Manchmal bin ich vielleicht gerecht, wenn mich die Lust dazu überkommt.«
»Drohst du allen Mitspielern auf die gleiche Weise, wie du mir gedroht hast?«
»Nein«, gab ich zu. »In deinem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht.«
»Warum?«
»Weil du gefährlich bist«, sagte ich lächelnd. Endlich waren wir zum Kern der Sache gekommen. Ich wühlte in den Berichten meiner Apostel und zog den letzten davon heraus, den wichtigsten. »Mindestens einer meiner Apostel, den du noch nie zu Gesicht bekommen hast, kennt dich sehr gut, Cyborg. Er kennt dich besser, als es dir im Traum in den Sinn käme.«
Der Cyborg antwortete nicht.
»Mein Lieblingstelepath«, sagte ich. »Sebastian Cayle. Er ist blind und verkrüppelt, und ich bewahre ihn in einem großen Glas auf, aber er ist durchaus von Nutzen. Er kann Wände durchdringen. Er hat die Kristalle deines Geistes durchschlagen, mein Freund, und er ist dem binären Nervensystem deines ›Es‹ auf die Spur gekommen. Sein Bericht klingt zwar ein wenig rätselhaft, aber er ist bewundernswert kurz und bündig.« Ich schob ihn über den Tisch, damit der Cyborg ihn lesen konnte.
Ein verhextes Labyrinth
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