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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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verloren habe.
    Ich hätte ihr sagen können, dass daran nichts ungewöhnlich war. Es war normalerweise die Folge davon, wenn sie zur Wohnung ihres Freundes Shane hinüberging und einen Haufen Drogen nahm. Ich hätte ihr auch sagen können, dass der richtige Ausdruck für dieses Erlebnis nicht Körperlosigkeit, sondern Hirnlosigkeit ist.
    Was aber keineswegs heißen soll, dass der Kampf gegen Helen leicht gewesen wäre. »Wenn ich aus dem Haus geh, ersauf ich bestimmt«, knurrte sie. Das Wetter war nach wie vor recht unfreundlich.
    »Ach was«, winkte ich grimmig und mit zusammengebissenen Zähnen ab; dem Klang meiner Stimme war dabei zu entnehmen: »Es ließe sich ohne Weiteres einrichten.«
    »Das wird nicht billig«, sagte sie, indem sie die Taktik wechselte.
    »Wie viel?«
    »’nen Fünfer.«
    »Gib ihr noch ’nen Fünfer«, befahl ich Anna. Geld wechselte den Besitzer.
    »Das macht dann zwanzig Pfund«, sagte Anna besorgt.
    »Hab ich je meine Schulden nicht bezahlt?«, fragte ich kalt.
    »Äh, nein«, sagte das arme Mädchen. Sie hätte nie gewagt, mich daran zu erinnern, dass ich ihr nach wie vor nichts für die Flasche Wein gegeben hatte, die ich mir in der ersten Nacht nach meiner Heimkehr von ihr »geliehen« hatte.
    »Und wohin gehst du jetzt?«, fragte ich Helen gebieterisch.
    »Nach oben, mir meine Siebenmeilenstiefel anziehen.«
    Als sie sehr viel später durchweicht und tropfnass zurückkam, jammerte sie laut und gab mir eine triefende Tüte mit der Literflasche Wodka. Nach dem Wechselgeld von den fünfzehn Pfund fragte ich sie nicht. Sie bot es allerdings auch nicht an.
    Bis ich merkte, dass die Flasche offen war und ein Viertel fehlte, war Helen längst über alle Berge. Als ob das ihre Aussichten steigern könnte, ihren neunzehnten Geburtstag zu erleben! Wenn sie mir in die Hände fiele, würde meine Rache fürchterlich sein. Mit mir war nicht zu spaßen.
    Trotz des Wodkas konnte ich nicht schlafen. Spät in der Nacht strich ich, während die anderen schliefen, durch das ganze Haus, die Flasche und ein Glas in der Hand, auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Ich hoffte, eine Stelle zu finden, an der mir diese Bilder nicht durch den Kopf gingen. Aber Eifersucht und Hass ließen mich nicht schlafen. Trotz aller Mühe kam ich nicht zur Ruhe. Ich fand keinen Frieden.
    Verzweifelt überlegte ich, dass ich probieren könnte, in einem anderen Bett oder einem anderen Zimmer zu schlafen. Also ging ich in das frühere Zimmer von Rachel. (Sie wissen schon, das, in dem man sich einquartieren muss, wenn man für eine Hungerkur zu uns kommt.) Ich machte Licht.
    Der Raum machte den gleichen geisterhaften Eindruck, den ich nach meiner Rückkehr aus London in meinem und Margarets Zimmer empfunden hatte. So als hätte lange niemand dort geschlafen. Dabei hingen noch Kleidungsstücke im Schrank, Plakate an der Wand, und unter dem Bett stand noch ein Teller.
    Ich kam an dem Zimmerfahrrad und dem Rudergerät vorbei, die mein Vater vor knapp zehn Jahren in einem begeisterten, wenn auch kurzlebigen Anfall von Bemühen um Körperertüchtigung angeschafft hatte.
    Da standen sie auf dem Fußboden von Rachels Zimmer, staubbedeckt und voller Spinnweben. Sie sahen altmodisch und klapprig aus, kein Vergleich mit den heutigen Heimtrainern und Ruder-Ergometern, die über Computerprogramme und eine Digitalanzeige mit elektronischer Kalorienangabe und wer weiß was alles verfügen.
    Als mein Blick auf die prähistorischen Überbleibsel fiel, schlugen die Erinnerungen wie Wellen über mir zusammen. Die Aufregung am Tag, da sie ins Haus gekommen waren! Mein Vater, meine Schwestern und ich waren vor Begeisterung aus dem Häuschen gewesen.
    Mum hatte als Einzige unsere Begeisterung nicht geteilt und gesagt, sie könne nicht verstehen, was das Affentheater sollte. Sie hätte es nicht nötig, sich zu quälen und zu leiden, hatte sie erklärt. Davon hätte sie in ihrem Leben schon genug gehabt, schließlich sei sie mit Dad verheiratet und Mutter von uns fünf.
    Wir anderen bewunderten mit vielen Ohs und Ahs die verchromten Geräte, als sie ausgeladen und im Wintergarten aufgestellt wurden.
    Wir setzten große Hoffnungen auf sie. Da wir annahmen, man würde schon bei der geringsten Betätigung einen Körper wie Jamie Lee Curtis bekommen (sie war damals wirklich ein Vorbild ), war die Nachfrage naturgemäß groß.
    Auch Dad sagte, er wolle einen Körper wie Jamie Lee Curtis haben. Als Mum das hörte, sprach sie eine

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